Rahmenbedingungen und Standards
für gelingende Onlineprävention

Die Prävention von religiös begründetem Extremismus wird in Deutschland seit vielen Jahren durch zivilgesellschaftliche Träger umgesetzt und umfasst ein vielfältiges Angebot. Offenkundig ist Extremismus in all seinen Formen auch im digitalen Raum präsent. Um Präventionsangebote also dort umzusetzen, wo sich die Alltagswelt der Adressat*innen abspielt, sind in den vergangenen Jahren verschiedene Onlineangebote entstanden – auch als Ergänzung zu bestehenden Offlineformaten.

Als Dachorganisation von mittlerweile über 30 Mitgliedsorganisationen ist es unser Auftrag, deren Interessen zu vertreten und auf Problemlagen und Herausforderungen hinzuweisen. Unser Blick richtet sich stets nach vorn, um Methoden gemeinsam weiterzuentwickeln und Lücken durch Angebote zu schließen.

Cover der Publikation "Rahmenbedingungen und Standards für gelingende Onlineprävention"

Die vorliegende Publikation schließt eine dieser Lücken, stellt die Rahmenbedingungen und Standards für gelingende Onlineprävention (PDF) dar und gibt einen Einblick in die unterschiedlichen Ansätze und Methoden der Präventionsarbeit im digitalen Raum. Sie bildet das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung der Mitarbeitenden der Onlineprojekte innerhalb der Mitgliedschaft der BAG RelEx. Seit Herbst 2021 haben sie sich in einer Vielzahl von Austauschtreffen über die Besonderheiten und Herausforderungen der digitalen und hybriden Formen der Präventionsarbeit ausgetauscht und die Methodenvielfalt erörtert. Das Ergebnis ist ein umfassender Überblick, was Onlineprojekte der Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention ausmacht, welche Standards in der Onlinearbeit bedeutend sind und wie sie langfristig gestärkt werden können.

Die Rahmenbedingungen und Standards gelingender Onlineprävention wurden als Sonderausgabe unserer Fachzeitschrift Ligante. Fachdebatten aus der Präventionsarbeit veröffentlicht. Hier finden Sie die Übersicht aller Ausgaben. Eine Zusammenfassung auf Deutsch (PDF) steht Ihnen ebenso wie eine Zusammenfassung auf Englisch (PDF) zur Verfügung.

Wir wünschen uns für die Zukunft des Onlinebereichs vor allem mehr Ressourcen für die Umsetzung sozialarbeiterischer und präventiver Angebote. Die Onlineräume dürfen nicht den Populist*innen und Extremist*innen überlassen werden!

Hannah
Digital Streetwork Stuttgart/Zukunftswelten (Stuttgarter Jugendhaus gGmbH)

Der kollegiale Austausch ist wichtig und hilft uns bei Fragen, denen wir in der medialen Arbeit immer wieder begegnen: Welche ethischen Standards gelten für uns? Wie sollen wir umgehen mit dem Spannungsverhältnis von (eigener) Sichtbarkeit und Sicherheit? Welche Kriterien nutzen wir zur Evaluation und Wirkungsmessung unserer Inhalte? Wo verorten wir uns neben Journalismus, Aktivismus und Influencer*innen?

Markus Lüke
ExPo – Extremismus Prävention Online (IFAK e. V.)

Auch in Zukunft wird die Bedeutung des Sozialraums Social Media weiter anwachsen, weshalb die Themen politische Bildungsarbeit und Extremismusprävention auch digital gedacht werden müssen. Hierfür bedarf es, wie für den analogen Bereich, Standards. Die BAG RelEx hat mit dem AK Online eine Plattform geschaffen, um gemeinsam mit ihren Mitgliedern diese Aufgabe erstmals anzugehen.

Lorenzo Liebetanz & Marie Wiese
CEOPS (AVP e. V.)

Das Internet bietet niedrigschwellig Zugang zu radikalen bis extremistischen Inhalten und kann als Katalysator bei Radikalisierungsprozessen wirken. Darum ist es für die Präventionsarbeit wichtig, auch die digitalen Sozialräume mitzudenken und dafür spezifische Angebote und Maßnahmen zu generieren. Gerade Kinder und Erwachsene werden dort noch kaum berücksichtigt.“

Adrian Stuiber
IZRD e. V.

An der Erstellung der Standards waren Kolleg*innen folgender Mitgliedsorganisationen (Projekte) beteiligt: AVP e. V. (Local Streetwork On/Off, streetwork@online, CEOPS), IFAK e. V. (ExPO – Extremismus Prävention Online), RE/init e. V. (Wegweiser im Vest), Stuttgarter Jugendhaus gGmbH (Zukunftswelten), ufuq e. V., Vereinigung Pestalozzi gGmbH (Legato. Fach- und Beratungsstelle für religiös begründete Radikalisierung), Violence Prevention Network gGmbH sowie unserer Partnerorganisation Kaleido Ostbelgien (Wegweiser Ostbelgien). Wir freuen uns, Ihnen mit dieser Publikation ein weiteres Ergebnis von kollegialem Fachaustausch vorstellen zu können und möchten uns an dieser Stelle herzlich bei allen Mitwirkenden bedanken.

Nach einer Ausführung grundlegender Begriffe und Konzepte des Arbeitsbereiches (Kapitel 1.1) wird unter anderem ein Überblick über Radikalisierungsprozesse (Kapitel 1.2) sowie extremistische Akteure in der digitalen Welt gegeben (Kapitel 1.3). Darauf folgt eine Kontextualisierung der digitalen Präventionsarbeit, was durch Praxisbeispiele der Mitgliedsorganisationen veranschaulicht wird (Kapitel 1.4). Die Standards für die digitale Präventionsarbeit folgen mit einer Aufteilung in Rahmenbedingungen (Kapitel 2.1), den spezifischen Onlineauftritt (Kapitel 2.2), die Zielgruppenerreichung (Kapitel 2.3) sowie die Erfolgskontrolle durch Evaluation (Kapitel 2.4). Mit einem Blick in die Zukunft und konkreten Forderungen etwa an die Politik und fördernde Institutionen schließt die Publikation (Kapitel 3).

Geht es um die Kernherausforderungen unserer Arbeit – Ideologisierung, Radikalisierung und Extremismus –, lässt sich der Kontext Internet nicht mehr ausklammern. Wir dürfen dieses Feld nicht unseren Gegenspieler*innen überlassen! Auch deshalb sind der kollegiale Austausch und ein auf Dauer angelegtes zivilgesellschaftliches Engagement im Netz unerlässlich.

Sebastian Ehlers
Leitung Fachbereich Digital (Violence Prevention Network gGmbH)

Für uns ist der kollegiale Austausch von großer Relevanz, da er uns ermöglicht, von den Erfahrungen und Blickwinkeln anderer Fachkräfte zu profitieren. Durch den Austausch können wir unsere eigene Arbeit kritisch reflektieren, neue Ideen generieren und gemeinsam Lösungen finden. Dies fördert unsere Professionalität und hilft uns dabei, die Qualität unserer Unterstützung für junge Menschen kontinuierlich zu steigern.

streetwork@online (AVP e. V.)

Das Arbeitsfeld Onlineprävention ist aktuell erst am Entstehen. Durch den kollegialen Austausch wird neues Wissen allen Fachkräften zugänglich gemacht und die einzelnen Projekte profitieren von bereits gemachten Erfahrungen.“

Jonas
Digital Streetwork Stuttgart/Zukunftswelten (Stuttgarter Jugendhaus gGmbH)

Zentrale Punkte der Publikation

Die Publikation Rahmenbedingungen und Standards gelingender Onlineprävention schließt eine Lücken und gibt einen Einblick in die unterschiedlichen Ansätze und Methoden der Präventionsarbeit im digitalen Raum. Sie bildet das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung der Mitarbeitenden der Onlineprojekte innerhalb unserer Mitgliedschaft.

Extremistische Akteure werden oft als early adopters bzw. Pioniere neuer Kommunikationsformate beschrieben, was bedeutet, dass sie neue Technologien einbinden und die Vorteile für sich zu nutzen wissen. In ihrer Kommunikation – auch auf sozialen Medien – richten sich die entsprechenden Gruppen sowohl nach außen als auch nach innen und verfolgen unter anderem die Ziele der Abschreckung, Rekrutierung und die Stärkung der Bindung mit Sympathisant*innen. Dabei nutzen sie die Vorteile, die soziale Medien mit sich bringen: sie erreichen ihre Zielgruppe direkt (d. h. sie sind selbstbestimmter in dem, was sie wie teilen, als bspw. wie in der Presse über sie berichtet wird), sie haben mitunter eine größere Reichweite und sie nutzen die fortschreitende Professionalisierung in der Aufbereitung der Inhalte. Darüber hinaus begünstigen die Algorithmen und Funktionen der Plattformen eine zufällige Rezeption. Die Inhalte tauchen im normalen Umfeld der Jugendlichen auf und sind an ihre Sehgewohnheiten angepasst. Teilweise sind die ideologischen Positionen nicht direkt zu erkennen, da auch über lebensweltliche Themen wie Lifestyle, Mode, Männlichkeit oder Weiblichkeit gesprochen wird. Die Inhalte wirken alltäglicher und sind zugänglicher.

In letzter Zeit hat sich die islamistisch extremistische Szene online ausdifferenziert, d. h. es gibt eine Vielzahl an Akteuren mit unterschiedlichen Angeboten und Formaten, die auf verschiedene Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen.

Durch das Internet und die sozialen Medien kommen Jugendliche zum Teil sehr niedrigschwellig mit extremistischen Inhalten in Kontakt. Schon aufgrund der hohen Nutzung digitaler Angebote durch Jugendliche spielt der digitale Raum oft eine Rolle in Radikalisierungsverläufen. Eine Onlineradikalisierung, bei der sich eine Person im stillen Kämmerchen nur durch digitale Inhalte radikalisiert, gibt es jedoch nur in den seltensten Fällen. Auch bei Onlineeinflüssen spielen Faktoren eine Rolle, die bereits zuvor gewichtig waren. Zu unterteilen sind sogenannte Pushfaktoren, die Menschen anfälliger für eine Radikalisierung machen können (z. B. Idenitätssuche, Brüche in der Biografie, Überforderung, Rebellion oder Diskriminierung) und Pullfaktoren, die sich auf das extremistische Angebot beziehen (z. B. Versprechen von Zugehörigkeit, Angebot klarer Regeln oder Möglichkeit des sozialen Aufstiegs). Durch den Onlineraum ist ein neuer Ort hinzugekommen, in dem diese Faktoren wirken und, in dem Jugendliche mit den Inhalten extremistischer Gruppen in Berührung kommen bzw. von ihnen angesprochen werden können. Die Interaktion zwischen den Inhalten im Netz und der eigenen Lebensrealität, von Einstellungen und Erfahrungen ist entscheidend. Es ist wichtig zu betonen, dass Jugendliche nicht direkt radikal sind/werden, wenn sie mit radikalen Inhalten in Berührung kommen.

Prävention gegen religiös begründeten Extremismus bedeutet für uns die Entwicklung und Stärkung demokratischer und an den Menschenrechten orientierter Kompetenzen, der Ambiguitätstoleranz, des Umgangs mit Diversität sowie sozialer und emotionaler Fähigkeiten. Diese Entwicklung und Stärkung fördern die Resilienz gegenüber antidemokratischen Denk- und Handlungsweisen und sind ein Empowerment etwa zur Bewältigung von jugendphasentypischen Entwicklungsaufgaben oder für den Umgang mit individuellen und gesellschaftlichen Krisen. Prävention bedeutet im Ergebnis auch die Verhinderung der Entstehung individueller und gemeinschaftlicher Denk- und Handlungsweisen bei Personen, die rechtsstaatliche, demokratische und menschenrechtliche Normen und Werte ablehnen und im äußersten Fall Gewalt gegen andere Menschen und Institutionen als legitimes Mittel betrachten. Hier erfahren Sie mehr zum breiten Arbeitsfeld der Radikalisierungsprävention.

Präventionsangebote im digitalen Raum sind – wie auch Offlineangebote – vielfältig und decken eine Bandbreite an unterschiedlichen Ansätzen und Methoden ab. Onlineprävention ist dementsprechend ein Sammelbegriff für Angebote, die entweder gänzlich im Onlinebereich stattfinden (z. B. Onlineberatung oder digital Streetwork) oder hybride Projekte, die ihr Offlineangebot durch Onlineaspekte ergänzen oder im Nexus zwischen Online und Offline arbeiten (z. B. soziale Medien oder Onlineberatung als zusätzliches Angebot zu Offlineangeboten).

Grundsätzlich beruht die vielfältige Präventionsarbeit im digitalen Raum ebenso wie die Prävention im Offlinekontext auf den Standards, die für das jeweilige Berufsfeld gelten. Dies bedeutet, dass die Grundsätze der Sozialen Arbeit, der Pädagogik oder der politischen Bildungsarbeit, wie beispielsweise der Beutelsbacher Konsens, zentrale Bausteine sind und seit jeher das Arbeitsfeld der Demokratieförderung und Extremismusprävention prägen. Zu den Grundsätzen der Arbeit gehören zudem ein Verständnis und die Haltung gegenüber der Zielgruppe und Menschen im Allgemeinen, dass Veränderungen möglich sind, eine Radikalisierung keine Sackgasse bedeuten muss und die Arbeit stets die individuellen Bedürfnisse der Adressat*innen berücksichtigt.

Im Vergleich zur Offlinearbeit steht die digitale Präventionsarbeit vor einigen zusätzlichen Herausforderungen. Hierzu zählen u. a. die Arbeitszeiten für Mitarbeitende (da Jugendliche insbesondere abends oder nachts die sozialen Medien nutzen) und die hohen Anforderungen an die Konzeption und Aufbereitung von Inhalten (Fähigkeiten in Videoschnitt und digitaler Kommunikation sowie ein Verständnis der diversen Themen). Das junge Arbeitsfeld hat großes Potenzial neue Methoden zu entwickeln und zu testen, um die Zielgruppen zu erreichen und die Arbeit an die dynamischen Entwicklungen im Netz anzupassen. Wichtig für die erfolgreiche Umsetzung der Projekte ist eine gute Zusammenarbeit mit Geldgebern und idealerweise auch ein guter Kontakt zu den großen Techunternehmen.

Für digitale Präventionsprojekte sind die unterschiedlichen Onlineauftritte essenziell, um ihre diversen Zielgruppen zu erreichen. Ein Newsletter oder eine Website werden beispielsweise verstärkt genutzt, um Multiplikator*innen zu adressieren, Profile auf TikTok oder Instagram, um Jugendliche zu erreichen. Je nach Zielgruppe unterscheidet sich entsprechend die Schwerpunktsetzung der unterschiedlichen Onlineauftritte.

Die Funktionsweise der Plattformen und die Intransparenz der Algorithmen stellen Projekte vor Herausforderungen – demnach brauchen sie ausreichend Flexibilität, um austesten zu können, was auf welchen Plattformen funktioniert. Auch ist ein und derselbe Post nicht für alle Plattformen sinnvoll. Hinsichtlich der Erstellung von Inhalten kann es hilfreich sein, mit Peers (Jugendlichen) zusammenzuarbeiten, die die aktuellen Trends kennen und das Projektteam in der zielgruppengerechten Ansprache unterstützen.

Um eine vertrauensvolle Beziehung zu den meist jugendlichen Zielgruppen aufzubauen ist eine authentische und gleichzeitig transparente Kommunikation wichtig. Um dieses Vertrauen nicht zu gefährden müssen Projektaccounts stets als solche zu erkennen sein und dürfen nicht den Anschein von privaten Initiativen/Personen machen. Im Projektteam gilt es zudem abzuwägen, ob einzelne Mitarbeitendenaccounts oder Teamaccounts verwendet werden und so die Kommunikation gegebenenfalls anonymisiert stattfindet.

Wie bei der allgemeinen Projektkonzeption sollte auch hinsichtlich des Onlineauftritts, der Definition und der Ansprache der Zielgruppe die Gefahr der Reproduktion von Stereotypen und damit einhergehender Stigmatisierung mitgedacht, reflektiert und vermieden werden. Bei Accounts in den sozialen Medien sollten beispielsweise Accountname, Profilbild oder Kurzvorstellung auf entsprechende Aspekte hin geprüft werden.

In der Konzeption der Projekte müssen die Zielgruppen definiert und diesbezüglich die Frage geklärt werden, wie (un)spezifisch man hierbei vorgeht. Gerade in sozialen Medien ist die Validierung der Zielgruppe mitunter herausfordernd, was zum einen mit der Menge an Follower*innen und zum anderen damit zu erklären ist, dass die Accounts nicht immer Aufschluss darüber geben, wer dahintersteht.

Die Zielgruppenbindung und -erreichung stellen Projekte vor Herausforderungen; Marketingtools können dabei eine Unterstützung sein. Sich ändernde Bestimmungen seitens der Plattformen und eine dynamische Landschaft sind dabei jedoch ebenso herausfordernd, wie die besonderen Anforderungen, die mit einer Landesförderung einhergehen, wenn bspw. nur Zielgruppen im eigenen Bundesland adressiert werden sollen. In der Auswertung der Zielgruppenansprache sollte man die Projektziele als Grundlage nehmen und sich nicht rein an quantitativen Größen orientieren.

Soziale Medien bieten durch (plattformspezifische) Auswertungstools oftmals quantitative Größen (Likes, Klicks), die zur Auswertung der Arbeit herangezogen werden können. Intransparenz und eine stetige Anpassung der Grundlagen dieser Zahlen durch die Plattformen, erschweren es den Projekten, in der Absprache mit Fördergebern verlässliche Zielmarken anzugeben. Darüber hinaus ist es für die Onlinearbeit von essenzieller Bedeutung, die Zahlen lesen und in Bezug auf die Projektziele interpretieren zu können, um sich nicht von den reinen Zahlen treiben zu lassen. Das primäre Ziel der Prävention und Demokratieförderung darf nicht aus den Augen verloren und Quantität nicht mit Qualität verwechselt werden: Ob eine Person das eigene geschlossene Weltbild zu hinterfragen beginnt, wird sich nicht an der Anzahl der Likes entscheiden, die der Post zur Onlineberatung erhalten hat. Um die primären pädagogischen, beraterischen oder sozialarbeiterischen Ziele erreichen zu können, sind die Projekte jedoch an die Plattformen gebunden. Diese Abhängigkeit spiegelt sich etwa darin wider, dass die spezifischen Logiken bedient werden müssen, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf die Inhalte zu richten. Da beispielsweise Reichweite auf einigen Plattformen entscheidend dafür ist, von den Algorithmen in den Feed der Zielgruppe gespült zu werden, kommen bei der Onlinearbeit je nach Ansatz zusätzliche Arbeitsschritte hinzu (z. B. Konzeption und Erstellung ansprechender Inhalte), die weitere Personalressourcen binden. Der zuvor erwähnte Aspekt, dass verschiedene Plattformen für unterschiedliche Ziele und Zielgruppen herangezogen werden, muss sich auch in den Bewertungskriterien erfolgreicher Arbeit niederschlagen.

Wie bei Offlineprojekten, bietet eine externe Evaluation Chancen und ist gleichzeitig voraussetzungsvoll: Eine Begleitung über die gesamte Projektlaufzeit ist einer Evaluation nach Projektabschluss vorzuziehen. Für eine gewinnbringende Evaluation ist ein gemeinsam erarbeitetes Evaluationsdesign sowie das gemeinsame Verständnis der Projektarbeit und -ziele notwendig.

Die formulierten Rahmenbedingungen und Standards bringen verschiedene Implikationen mit sich, aus denen wir als BAG RelEx Forderungen ableiten – Forderungen, da die Frage nach gelingender Präventionsarbeit nicht nur von den (zivilgesellschaftlichen) Akteuren abhängt, die in dem Arbeitsfeld tätig sind, sondern auch von den Rahmenbedingungen, die sie vorfinden. Nachfolgend eine Auswahl der Forderungen:

  •  Die Präventionsarbeit im digitalen Raum ist zentral und sollte als spezifischer Arbeitsbereich anerkannt werden. Sie ist kein Hobby und kann weder nebenbei laufen noch ausschließlich von (jungen) Berufsanfänger*innen umgesetzt werden.
  • Grundlegend und unabhängig davon, ob die Arbeit offline oder im digitalen Raum stattfindet, bedarf es der Anerkennung für zivilgesellschaftliches Handeln und die unterschiedlichen Professionen des Arbeitsfelds. Auf gesamtgesellschaftlicher und politischer Ebene müssen soziale Arbeit, Pädagogik oder politische Bildung als essenzieller Teil der Gesellschaft und als Pendant zu sicherheitspolitischen Ansätzen im Kampf gegen Extremismus verstanden werden, und auf Augenhöhe wahrgenommen werden.
  • Anerkennung dafür, dass die Evaluation auch erfolgreicher Präventionsarbeit komplex ist; denn wie aufzeigen welche Ereignisse durch erfolgreiche Präventionsarbeit nicht eingetreten sind? Dieses Paradoxon darf nicht dazu führen, dass Präventionsmaßnahmen für nicht notwendig erachtet werden, gerade wenn sie besonders erfolgreich sind.
    Wir brauchen eine zivilgesellschaftliche Landschaft, die nicht von Förder- und Ereigniskonjunkturen abhängt, um antidemokratische Handlungsweisen direkt im Entstehen zu bearbeiten und nicht, wie leider nach wie vor zu oft, als „Feuerlöscher“ zu agieren.
  • Kurze Förderzeiträume bringen für die digitale Präventionsarbeit besondere Schwierigkeiten mit sich, denn Projekte müssen sich etablieren, um Wirkung zu zeigen. Wer länger nichts postet, oder das Projekt wegen einer auslaufenden Finanzierung neu konzipieren oder umbenennen muss, verliert den Kontakt zur Zielgruppe und muss quasi von vorne beginnen. Präventionsprojekte müssen auf sichere Beine gestellt werden.
  • Es bedarf einer offenen Fehlerkultur im Arbeitsbereich, die es Projekten ermöglicht, Ansätze auszuprobieren und bei Bedarf weiterzuentwickeln. Der offene Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen ermöglicht zum Beispiel, dass Kolleg*innen unterschiedlicher Projekte voneinander lernen können, und trägt so zur Weiterentwicklung und fortscheitenden Professionalisierung des Arbeitsbereiches bei.
  • Auch die Techkonzerne müssen sich stärker damit auseinandersetzen, was auf ihren Plattformen geschieht, was sie durch die Logiken und Strukturen der Plattformen teilweise vielleicht sogar ungewollt fördern

Zuletzt gilt es für jede*n Einzelne*n und die Gesellschaft als Ganzes, sich im digitalen Raum, ebenso wie offline, für ein demokratisches Miteinander einzusetzen und sich gegen Hass und Diskriminierung zu positionieren. Straftaten im Netz müssen angezeigt werden, und Solidarität und Zivilcourage sind dort ebenso wichtig wie auf der Straße.

Die Publikation stellt eine Ergänzung der 2019 veröffentlichten Standards für das zivilgesellschaftliche Engagement gegen religiös begründeten Extremismus dar.

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Ligante – Unsere Fachzeitschrift für Sie

Als Dachorganisation verstehen wir uns als zentraler Knotenpunkt in einem Netzwerk, das aus zivilgesellschaftlichen Trägern der Radikalisierungsprävention gegen religiös begründeten Extremismus besteht.

Unsere Fachzeitschrift Ligante. Fachdebatten aus der Präventionsarbeit haben wir 2018 ins Leben gerufen. Wie auch mit unseren Veranstaltungen wollen wir mit der Ligante die Debatten, die in unserem Fachbereich geführt werden, und die Themen, die wir als BAG RelEx anstoßen, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Schließlich fungieren wir als BAG RelEx als Kontaktstelle für Politik, Wissenschaft, Medien und Verwaltung.

Das Wort Ligante ist Esperanto und bedeutet Verknüpfung. Denn genau an dieser Stelle setzen wir an: Wir verknüpfen nicht nur Expert*innen innerhalb der zivilgesellschaftlichen Präventionsarbeit gegen religiös begründeten Extremismus, sondern stellen auch Verbindungen zu anderen Netzwerken, Institutionen, Arbeitsbereichen und Akteuren auf nationaler und internationaler Ebene her. Unsere Ziele sind der Fachaustausch und die Weiterentwicklung unseres Arbeitsbereichs.

Seit 2020 veröffentlichen wir die Ligante im Rahmen des Kompetenznetzwerks „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX).

Sie wollen wissen, wie Radikalisierung und Deradikalisierung funktioniert oder wie Sie eine Radikalisierung erkennen können? Zu diesen und weiteren Themen haben wir Ihnen hier auf unserer Website die wichtigsten Informationen zusammengestellt. Außerdem veröffentlichen wir neben der Ligante weitere Publikationen zu aktuellen Themen unseres Arbeitsbereichs.