Radikalisierungsprävention

Radikalisierungsprävention: Extremismus vorbeugen

Bei der BAG RelEx und den Projekten unserer Mitgliedsorganisationen steht die Prävention von religiös begründetem Extremismus im Zentrum. Der Begriff Prävention kommt vom lateinischen Wort praevenire, was „zuvorkommen“ oder „verhüten“ bedeutet. Präventionsarbeit beinhaltet also Maßnahmen und Aktivitäten zur Abwendung sowie Verhinderung von unerwünschten Ereignissen oder Zuständen. In unserer Arbeit legen wir den Fokus jedoch nicht ausschließlich auf das Verhindern von Unerwünschtem, sondern auf das Stärken und Fördern von demokratischen Werten. Einen Überblick über unsere Arbeit im Bereich Extremismus und Prävention finden Sie hier.

In der Radikalisierungsprävention wird vielfach zwischen drei Ebenen unterschieden, die auf dieser Seite beschrieben werden:

  • primäre oder universelle Prävention
  • sekundäre oder selektive Prävention
  • tertiäre oder indizierte Prävention

In jedem der Bereiche gibt es eine Vielzahl von Ansätzen und Angeboten. Auch die Kontexte, in dem die Präventionsmaßnahmen durchgeführt werden, sind vielfältig: Schule, offene Kinder- und Jugendarbeit, Strafvollzug/Justiz, offene Angebote etc.

Religiös begründeter Extremismus ist eine Form des politischen Extremismus, bei dem Gruppen die Religion instrumentalisieren und für ihre ideologischen Zwecke missbrauchen. Deshalb sprechen wir auch von religiös begründetem Extremismus und nicht von religiösem Extremismus.

In Bezug auf verschiedene politische Extremismen spricht man auch von Phänomenen oder Phänomenbereichen. Neben religiös begründetem Extremismus gibt es beispielsweise auch den Phänomenbereich Rechtsextremismus. Im Vergleich zu anderen Phänomenen ist religiös begründeter Extremismus ein relativ junges Phänomen. Da es zwischen den Phänomenbereichen strukturelle Ähnlichkeiten gibt, konnten Akteur*innen aus Wissenschaft und Praxis in Bezug auf Forschung und Angebote auf Erfahrung in der Prävention von Rechtsextremismus zurückgreifen.

Was bedeutet Prävention von religiös begründetem Extremismus?

In der Extremismusprävention geht es darum, Radikalisierungsprozesse von Menschen zu verhindern, sie zu stoppen oder positiv auf sie einzuwirken. Es geht also um Radikalisierungsprävention. Unsere Perspektive auf Radikalisierung ist jedoch nicht defizitorientiert, sondern legt den Fokus auf die Ressourcen der Menschen. Für uns bedeutet Präventionsarbeit gleichzeitig die Förderung von Demokratie.

Der Begriff der Radikalisierung beschreibt einen Prozess, bei dem sich Menschen einer extremistischen Ideologie zuwenden. Die Anwendung von Gewalt ist dabei kein notwendiges Kriterium. In der wissenschaftlichen Debatte ist bis heute strittig, wie sich Radikalisierungsprozesse erklären und in ihrem Verlauf beschreiben lassen. Klar ist jedoch, dass es keine einfachen Erklärungen gibt und, dass Radikalisierungen immer als ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren gesehen werden müssen. Dies bedeutet auch, dass sich nur wenige verallgemeinernde Aussagen über Gründe und Motive einer Radikalisierung treffen lassen. Einigkeit besteht in Wissenschaft und Praxis darüber, dass Radikalisierungsprozesse in der Regel nicht isoliert verlaufen, sondern mit Gruppendynamiken in Verbindung stehen. Lesen Sie hier mehr zu Radikalisierung und Deradikalisierung.

Extremistische Gruppen wenden sich meist an Jugendliche und junge Erwachsene. In Bezug auf Radikalisierungsprozesse geht es bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kern vielfach um die Suche nach der eigenen Identität, um soziale Anerkennung und Bindung. Auch Erfahrungen von Diskriminierung, Marginalisierung oder das Gefühl von sozialer Ungerechtigkeit beziehungsweise der Wunsch, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, nehmen mitunter einen besonderen Stellenwert ein.

Für die Präventionsarbeit bedeutet dies, dass eine nachhaltige Stärkung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen muss. Dabei ist es wichtig, neben individuellen auch gesellschaftliche und politische Risikofaktoren in den Blick zu nehmen. Wir müssen uns fragen, was Jugendliche und junge Erwachsene an extremistischen Gruppen interessant finden und welche Angebote ihnen diese Gruppen machen. Nur so können wir Radikalisierungsprozesse verstehen und ihnen entgegenwirken.

Wie bereits erwähnt, können verschiedene Faktoren auf Radikalisierungsprozesse einwirken. In Zeiten der Digitalisierung ist es dabei auch wichtig, den Online-Bereich mit einzubeziehen. Diesbezüglich gibt es in der Wissenschaft und Praxis vielfältige Ansätze und Angebote.

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Die verschiedenen Präventionsarten: Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention

In der Radikalisierungsprävention gibt es drei unterschiedliche Ebenen der Prävention. Sie werden Primär-, Sekundär und Tertiärprävention genannt. Für diese Ebenen gibt es jedoch auch weitere Bezeichnungen, wie zum Beispiel universelle, selektive oder indizierte Prävention.

Um den diversen Herausforderungen in Bezug auf Radikalisierungen gerecht zu werden, werden verschiedene präventive Maßnahmen umgesetzt. Die Mitgliedsorganisationen der BAG RelEx greifen die einzelnen Formen der Prävention in unterschiedlichen Projekten auf. Die zivilgesellschaftliche Extremismusprävention verfügt, anders als das oft bei staatlichen Stellen der Fall ist, über einen direkteren Zugang zu relevanten Zielgruppen. Außerdem sind die Akteure vor Ort vernetzt und genießen in der Regel größeres Vertrauen und Glaubwürdigkeit als staatliche Institutionen. Aus diesem Grund können zivilgesellschaftliche Akteure in ihrer Arbeit in besonderem Maße auf die spezifischen Gegebenheiten vor Ort eingehen.

Neben den Angeboten, die sich beispielsweise an Jugendliche und junge Erwachsenen richten, ist auch die Aufklärung und (Weiter)Bildung zum Themenbereich Teil unserer Arbeit als BAG RelEx und der unserer Mitgliedsorganisationen. In diesem Kontext werden beispielsweise Veranstaltungen angeboten oder Artikel und Handreichungen veröffentlicht. Hier finden Sie Informationen zu unsere Veranstaltungen und den von uns veröffentlichten Publikationen. Besuchen Sie gerne unseren Pressebereich und nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wenn Sie auf der Suche nach Expert*innen in den Themenfeldern religiös begründeter Extremismus, Prävention oder Islamismus sind.

Die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Demokratie, die im Rahmen von Präventionsmaßnahmen unterstützt wird, ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Dabei ist sowohl die Zivilgesellschaft als auch Forschung und Politik gefragt.

Was bedeutet Primärprävention?

In der universellen oder primären Prävention von Extremismus geht es um die Stärkung von demokratischen und an Menschenrechten orientierten Kompetenzen. Damit sollen individuelle und gemeinschaftliche Radikalisierungsprozesse verhindert werden.

In manchen Aspekten kann die Primärprävention der politischen Bildung, interkulturellen Pädagogik, Antidiskriminierungsarbeit oder der Demokratiepädagogik ähneln. Das liegt unter anderem daran, dass auch sie Demokratieförderung als eines ihrer Hauptziele haben.
Die Primärprävention soll folgende Aspekte fördern und stärken:

  • Umgang mit Diversität
  • soziale und emotionale Fähigkeiten
  • Resilienz gegenüber antidemokratischen Denk- und Handlungsweisen
  • Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten von Uneindeutigkeiten oder Unsicherheiten

Die primäre Zielgruppe von Maßnahmen der universellen Prävention sind Jugendliche, die mit extremistischen Angeboten in Berührung kommen könnten. Da die Demokratieförderung im Fokus steht, ist dabei nicht entscheidend, ob sie bereits Kontakt zu extremistischen Gruppen hatten.

Neben der allgemeinen Zielgruppe der Jugendlichen, gibt es in der Primärprävention auch Angebote für weitere Gruppen:

  • jugendliche Multiplikator*innen („Peers“)
  • Fachkräfte als Multiplikator*innen im Bereich der pädagogischen Arbeit, zum Beispiel Lehrkräfte an Schulen, Fachkräfte in der Jugendarbeit etc.
  • Fachkräfte aus anderen Bereichen, die mit dem Thema religiös begründeter Extremismus in Kontakt kommen, beispielsweise Fachkräfte in der Kriminalprävention

Was bedeutet Sekundärprävention?

Bei den Maßnahmen der sekundären Prävention liegt der Schwerpunkt auf der Früherkennung und der Arbeit mit gefährdeten Gruppen. Die Zielgruppe ist demnach spezifischer als das bei der Primärprävention der Fall ist. In der Praxis ist es aber nicht immer möglich und vor allem auch nicht zielführend, die einzelnen Ebenen der Präventionsarbeit strikt voneinander zu trennen. Es geht vielmehr darum, auf die spezifischen Besonderheiten der Situation und Gegebenheiten zu reagieren.

Im Rahmen der Sekundärprävention kann es beispielsweise Aufklärungsworkshops zu extremistischer Ansprache in Stadtvierteln geben, in denen bereits extremistische Akteur*innen präsent waren.

Was bedeutet Tertiärprävention?

Tertiäre Prävention wird auch als indizierte Prävention, Deradikalisierung, Distanzierungs- oder Ausstiegsarbeit bezeichnet.

Wie auch in den anderen Präventionsarten, setzen Projekte der indizierten beziehungsweise tertiären Prävention verschiedene Präventionsmaßnahmen um. In ihrer Arbeit legen sie den Fokus auf Menschen, die sich bereits in einem Radikalisierungsprozess befinden. Das Angebot einer Beratungsstelle, an welche sich radikalisierte Personen direkt wenden können, ist ein Beispiel für tertiäre beziehungsweise indizierte Prävention. Aber auch Eltern, weitere Angehörige und Freund*innen können sich an eine solche Beratungsstelle wenden, wenn sie sich Sorgen um eine Person machen.

Die Deradikalisierungs – oder Ausstiegsarbeit ist ein Prozess, bei dem es auf das Engagement der entsprechenden Person ankommt. Das bedeutet, die Person wird nicht „von außen“ deradikalisiert. Vielmehr unterstützt das Beratungsangebot ein Umdenken, was eine Veränderung in den Denk- und Handlungsmustern bewirken kann. Dieser Prozess kann langfristig dazu führen, dass die Person der extremistischen Szene den Rücken kehrt.

Die speziellen Angebote der Tertiärprävention sind vielfältig. Es gibt zum Beispiel Online-Angebote, Telefon-Hotlines oder klassische Beratungsgespräche.

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Prävention von Islamismus

Wie unser Name Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus schon sagt, beschäftigen wir uns mit der Prävention von religiös begründetem Extremismus, mit Radikalisierungsprävention. Eine Form davon ist der sogenannte Islamismus.

Beim Islamismus handelt sich um eine politische Ideologie. Das bedeutet die entsprechenden Gruppen nutzen den Islam, um ihre (politischen) Forderungen und Ziele zu begründen und zu rechtfertigen. Der Begriff Islamismus steht dabei für eine Vielzahl an Gruppen und Strömungen. Die prominenteste Strömung in Deutschland ist aktuell der Salafismus mit seinen Unterströmungen.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird das Thema Islamismus leider oft in Zusammenhang mit Migration oder Integration thematisiert. Hinsichtlich einer gelingenden Präventionsarbeit ist das jedoch nicht sachdienlich und inhaltlich oft falsch. Auch eine reine Fokussierung auf Terrorismus und Gewalt greifen zu kurz, da beides keine zwingenden Kriterien für Extremismen sind. Aus gesellschaftlicher Perspektive ist es auch ohne diese Verknüpfung relevant, sich mit Extremismen zu beschäftigen.

Obwohl Islamismus nur eine Art des religiös begründeten Extremismus unter vielen ist, liegt die Präventionsarbeit im Bereich Islamismus aktuell im Fokus der BAG RelEx. Seit Januar 2020 sind wir deshalb gemeinsam mit ufuq.de und Violence Prevention Network (VPN) im Kompetenznetzwerk „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX) vertreten.

Die BAG RelEx wird für das KN:IX im Rahmen des Bundesprogrammes “Demokratie leben!” durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Zusätzlich erhalten wir eine Förderung der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und im Rahmen des Landesprogramms „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“.