Evaluation in der Extremismusprävention

Evaluation in der Extremismusprävention – Ein Überblick

Evaluationen sind aus der Praxis der Extremismus- und Radikalisierungsprävention, Demokratiebildung und politischen Bildung nicht mehr wegzudenken und von zentraler Bedeutung. Sie ermöglichen nicht nur die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung von Maßnahmen und Projekten, sondern leisten auch einen Beitrag zur Legitimation gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Fördermittelgebenden. Mit der zunehmenden Professionalisierung der Fachpraxis sowie der Ausweitung staatlicher Förderprogramme ist der Bedarf an wissenschaftlicher Begleitung und systematischer Wirkungsmessung in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Evaluation kann dabei als die „systematische Untersuchung der Güte oder des Nutzens eines Evaluationsgegenstands“ [1] verstanden werden. Evaluation bedeutet in diesem Kontext eine systematische, nachvollziehbare Bewertung auf Basis empirischer Daten und unterscheidet sich so von alltäglichen Einschätzungen. Sie erfolgt transparent und kriteriengeleitet und ist vielseitig einsetzbar – etwa für Projekte, Programme, Organisationen oder Produkte. Der Begriff bezeichnet sowohl den Prozess der Evaluation als auch deren Ergebnis, z. B. den Evaluationsbericht. [1]

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Was sind die Ziele und Funktionen von Evaluationen?

Evaluationen verfolgen mehrere Zielsetzungen: Sie dienen der Rechenschaftslegung gegenüber Fördergebenden, der lernenden Weiterentwicklung bestehender Maßnahmen, der Beurteilung von Wirksamkeit und Effizienz sowie der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Im Gegensatz zum Monitoring, das vor allem der fortlaufenden, deskriptiven Datenerhebung dient, ist Evaluation stärker analytisch ausgerichtet und fokussiert auf Wirkmechanismen und Zusammenhänge.

In der Praxis gilt die Verknüpfung von Monitoring, Evaluation und Lernen als zyklischer Prozess, der evidenzbasiertes Handeln unterstützt:

  • Monitoring bezeichnet die kontinuierliche, kriteriengestützte Erfassung von Vergleichsdaten, um Entwicklungen zu beobachten und frühzeitig Steuerungsbedarfe zu erkennen. Es ist im Unterschied zur Evaluation nicht bewertend und längsschnittlich angelegt. [1]
  • Evaluation analysiert und interpretiert diese Daten, um daraus fundierte Empfehlungen abzuleiten.
  • Lernen bedeutet, die gewonnenen Erkenntnisse praktisch umzusetzen, Maßnahmen zu optimieren, Ressourcen gezielt einzusetzen und Innovationen anzustoßen. [2]

Dieses Zusammenspiel schafft einen iterativen Kreislauf der Qualitätssicherung, in dem Monitoring, Evaluation und Reflexion fortlaufend ineinandergreifen und dadurch die Wirksamkeit von Maßnahmen langfristig verbessern. [2]

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Welche unterschiedlichen Formen von Evaluationen gibt es?

Evaluationen sind nicht einheitlich, sondern können aus unterschiedlichen Perspektiven erfolgen, die jeweils eigene Stärken und Grenzen aufweisen. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal liegt in der Frage, ob eine Evaluation extern oder intern durchgeführt wird.

Externe Evaluationen werden von unabhängigen Dritten durchgeführt, die außerhalb der zu evaluierenden Organisation situiert sind. Diese unabhängigen Dritten können z. B. spezialisierte Evaluationsagenturen, Forschungsinstitute, Universitäten oder freiberufliche Evaluationsexpert*innen sein.

Interne Evaluationen erfolgen innerhalb der Organisation, die die Maßnahme oder das Projekt verantwortet. Dabei lassen sich zwei Formen differenzieren:

  • Interne Selbstevaluation: Mitarbeitende evaluieren Maßnahmen, an denen sie selbst beteiligt sind.
  • Interne Fremdevaluation: Die Evaluation wird von Organisationsangehörigen übernommen, die nicht direkt involviert sind.

Beide Ansätze bringen spezifische Stärken mit sich. Selbstevaluationen ermöglichen beispielsweise eine unmittelbare Integration von Erkenntnissen in den Arbeitsalltag und sind häufig kostengünstiger, während externe Evaluationen ein höheres Maß an Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit nach außen bieten. Idealerweise ergänzen sich beide Perspektiven in einem umfassenden Qualitätsmanagement. [3]

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Welche Kriterien zeichnen eine gute Evaluation aus? Über Standards und Evaluationskapazitäten

Damit Evaluationen aussagekräftig und anschlussfähig bleiben, sollten sie sich an professionellen Standards orientieren. Ein anerkannter Rahmen hierfür sind die Standards der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval). Diese wurden 2001 eingeführt, in den letzten Jahren umfassend überarbeitet und basieren auf vier grundlegenden Prinzipien: Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness und Genauigkeit. Diese Prinzipien sind durch 25 konkretere Einzelstandards präzisiert und bilden damit einen Leitfaden für professionelle Evaluationspraxis. [1]

Gleichzeitig zeigt sich in der Praxis oftmals, dass es keinen universellen Standard gibt, der auf alle Kontexte gleichermaßen anwendbar wäre. Vielmehr muss jedes Evaluationsdesign flexibel an die jeweilige Zielgruppe, das Praxisfeld sowie die Handlungslogiken vor Ort angepasst werden. Diese Kontextsensibilität ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Evaluationen praxisrelevant bleiben und konkrete Verbesserungen anstoßen können.

Eine wichtige Vorrausetzung in diesem Kontext bilden ausreichende Evaluationskapazitäten innerhalb von Organisationen, die Projekte und Maßnahmen umsetzen. Sie umfassen das gesamte Nutzungspotenzial, das für die Planung, Durchführung und Auswertung von Evaluationen eingesetzt werden kann. Dazu gehören vor allem:

  • Methodisches Wissen und Fachkompetenzen,
  • personelle Ressourcen,
  • eine geeignete organisatorische Struktur sowie
  • die Fähigkeit, Evaluationsergebnisse nicht nur zu erheben, sondern auch aktiv für Lern- und Verbesserungsprozesse zu nutzen.

Nur wenn diese Ressourcen ausreichend vorhanden sind, können Evaluationen effektiv und nachhaltig sein. Aktuelle Befunde zeigen, dass Evaluationen mittlerweile fest in der Extremismusprävention, Demokratieförderung und politischen Bildung verankert sind und seit 2020/21 eine zunehmende Professionalisierung erfahren haben, insbesondere im Bereich der Selbstevaluation. Derzeit befindet sich das Feld in einer Konsolidierungsphase, jedoch droht der Fokus zu stark auf Verwaltungszwecke zu verlagern, wodurch Lernpotenziale ungenutzt bleiben. Gemeint ist: Die Ergebnisse der bundesweiten Befragung des PrEval-Monitors 2024 verdeutlichen, dass die Gefahr besteht, Evaluationen auf die Einreichung “einfacher” Verwendungsnachweise zu reduzieren [4]. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass das Thema Evaluation in den vergangenen Jahren vor allem im Zusammenhang mit einem verstärkten Fokus auf Wirkungsmessung an Bedeutung gewonnen hat. Allerdings führt dieser Schwerpunkt teilweise auch dazu, dass andere zentrale Funktionen und Mehrwerte von Evaluationen in den Hintergrund treten.  Es besteht insbesondere bei öffentlich geförderten Projekten und in der Nutzung von Ergebnissen auf Organisations- und Strukturebene ein deutlicher Entwicklungsbedarf [4].

Was sind weitere Herausforderungen im Kontext Evaluation? Präventionsparadox und divergierende Erwartungen

Eine weitere zentrale Herausforderung in der Extremismusprävention ist das sogenannte Präventionsparadox: Der Erfolg einer Maßnahme zeigt sich im Kontext der Extremismusprävention in der Theorie darin, dass ein unerwünschtes Ereignis nicht eintritt. Da die Wirkung somit eher im Verborgenen bleibt, ist sie empirisch oftmals nur schwer nachweisbar. Präventionsmaßnahmen erzeugen oft indirekte oder langfristige Effekte, deren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang komplex ist und sich nur eingeschränkt messen lässt.

Darüber hinaus bewegen sich Evaluationen in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Akteure, die teils divergierende Erwartungen haben. Fachpraxis, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Fördermittelgebende und Evaluationsexpert*innen bringen jeweils eigene Ziele, Perspektiven und Erfolgskriterien ein. Dieses „Erwartungsdreieck der Evaluation“ [5] beeinflusst die Gestaltung, Umsetzung und Interpretation von Evaluationen maßgeblich. Umso wichtiger ist eine kooperative Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Praxis und Evaluierenden zu schaffen, damit sowohl wissenschaftliche Standards als auch praxisnahe Handlungsempfehlungen berücksichtigt werden.

Evaluation als Schlüssel zur wirksamen Prävention und Demokratieförderung

Die kontinuierliche Stärkung und Weiterentwicklung von Evaluation und Qualitätssicherung ist für die Extremismusprävention, Demokratieförderung und politische Bildung in Deutschland von zentraler Bedeutung. Angesichts komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen sowie wachsender Erwartungen an Wirksamkeit und Transparenz von Projekten und Maßnahmen ist es essenziell, evidenzbasierte Ansätze zu fördern und evaluative Verfahren systematisch auszubauen.

Dabei geht es nicht nur um methodische Standards, sondern um die Etablierung einer lebendigen Evaluationskultur, die unterschiedliche Perspektiven aus Fachpraxis, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft konstruktiv zusammenbringt. Neue Formate und Kooperationsmodelle bieten hier ein großes Potenzial: In enger Zusammenarbeit mit Akteur*innen aus der Präventionspraxis, Wissenschaft, Politik sowie Evaluationsexpert*innen sollten innovative Verfahren der Selbst- und Fremdevaluation entwickelt, erprobt und langfristig verankert werden. Ein zentrales Ziel ist dabei der nachhaltige Wissenstransfer in die Praxis – durch begleitende Qualifizierungsmaßnahmen, praxisnahe Handreichungen und die strukturelle Verankerung evaluativer Kompetenz. Nur so kann sichergestellt werden, dass Evaluation nicht als externe „Pflicht“, sondern als integraler Bestandteil lernender und reflektierter Praxis verstanden wird. Die Förderung bedarfsgerechter und wirkungssensibler Evaluationsstrukturen ist damit ein entscheidender Beitrag zur Stärkung demokratischer Resilienz in einer offenen Gesellschaft.

Quellen:

[1] DeGEval (2016): DeGEval – Gesellschaft für Evaluation. Standards für Evaluation. 1. Auflage. Verfügbar unter: https://www.degeval.org/fileadmin/content/Z03_Publikationen/DeGEval-Standards/DeGEval-Standards_fuer_Evaluation.pdf (letzter Zugriff: 28.07.2025)

[2] Koynova, S., Mönig, A., Quent, M. & Ohlenforst, V. (2022): Monitoring, Evaluation und Lernen: Erfahrungen und Bedarfe der Fachpraxis in der Prävention von Rechtsextremismus und Islamismus. PRIF Report 7. Frankfurt/M.: Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. DOI: https://doi.org/10.48809/prifrep2207 

[4] PrEval Monitor (2024): Extremismusprävention, Demokratieförderung und politische Bildung durch Evaluation stärken. Ergebnisse und Empfehlungen aus dem PrEval-Netzwerk. PrEval Monitor. 1. Auflage, Frankfurt/M. DOI: 10.48809/PrEvalMon24.

[3] Uhl, A., Freiheit, M., Zeibig, B. & Zick, A. (2022): Evaluationskapazitäten im Bereich der Extremismusprävention und der politischen Bildung in Deutschland. PRIF Report 9. Frankfurt/M. DOI: 10.48809/prifrep2209.

[5] Walkenhorst, D. (2019): Das „Erwartungsdreieck Evaluation“: Eine Praxisperspektive. Bundeszentrale für politische Bildung, 20.03.2019. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/radikalisierungspraevention/287931/das-erwartungsdreieck-evaluation-eine-praxisperspektive (letzter Zugriff: 25.07.2025).