3. November 2022 | BAG RelEx

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Demokratie­fördergesetzes

Wir begrüßen ausdrücklich die Anfrage zu einer Stellungnahme und Kommentierung des Referentenentwurfs für ein Demokratiefördergesetz. Unsere Stellungnahme können Sie hier lesen.

Als Dachorganisation von mehr als 30 zivilgesellschaftlichen Trägern der Radikalisierungsprävention setzen wir uns seit Langem für ein Demokratiefördergesetz ein und begrüßen die Ausarbeitung eines solchen Gesetzes. Unsere bisherigen Bestrebungen für ein Demokratiefördergesetz wurden beispielsweise durch die Jüdische Allgemeine in einem Artikel thematisiert.

 

Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) zum Referentenentwurf des BMFSFJ und des BMI „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung (Demokratiefördergesetz – DFördG)“

Sehr geehrte Frau Bundesfamilienministerin Paus,
sehr geehrte Frau Bundesinnenministerin Faeser,

die BAG RelEx begrüßt ausdrücklich die Anfrage zu einer Stellungnahme und Kommentierung des Referentenentwurfs des BMFSFJ und des BMI „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung (Demokratiefördergesetz – DFördG)“.

Unsere Stellungnahme erfolgt in dem Bewusstsein großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Klimakrise, der COVID-19 Pandemie, dem Krieg in der Ukraine bzw. dessen Folgen auch für Deutschland und die zunehmenden autoritaristischen, antidemokratischen Umtriebe in Teilen der bundesdeutschen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund ist ein angemessenes Gesetz zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Demokratieförderung und Prävention von Menschenfeindlichkeit und Extremismus essenziell. Die demokratische Qualität einer Gesellschaft und eines Staates drücken sich auch in einer starken Zivilgesellschaft aus.

Vor dem Hintergrund struktureller Ungleichheiten, den starken sozialen und politischen Veränderungen, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist, sowie demokratiefeindliche und extremistische Angriffe auf das Gemeinwesen, zivilgesellschaftliche Strukturen und die politischen Institutionen und deren Repräsentant*innen, ist ein starkes und umfangreiches Demokratiefördergesetz unerlässlich. Wir beziehen zum Referentenentwurf des BMFSFJ und des BMI wie folgt Stellung:

  • Religiös begründete Radikalisierung muss in der Problem- und Zielstellung enthalten sein und benannt werden, um nicht erneut Aufmerksamkeitskonjunkturen bezüglich unterschiedlicher Phänomene von Radikalisierung zu folgen.
  • Die nicht abschließende Aufzählung von Extremismusformen unter § 1 (2) wird einerseits aufgrund der Offenheit und trotz der wissenschaftlichen Unschärfe des Extremismusbegriffs begrüßt, andererseits ist eine Ergänzung um „Demokratiefeindlichkeit“ sinnvoll, da der Extremismusbegriff primär einer sicherheitsbehördlichen Perspektive entspricht und vor allem Maßnahmen der Primärprävention damit einengt und Verdachtsmomente gegenüber Maßnahmennehmer*innen stärkt. Grundsätzlich sind wir jedoch der Meinung, dass im Rahmen eines Demokratiefördergesetzes vielmehr von Radikalismus als von Extremismus gesprochen werden sollte. Dieser Begriff bildet die Prozesshaftigkeit von Radikalisierungsverläufen im Gegensatz zum Extremismus ab und umfasst dadurch auch das gesamte Spektrum zivilgesellschaftlichen Engagements von der primären bis zur tertiären Prävention, die nicht erst im oder beim Übergang zur Gewalt stattfindet.
  • § 1 (2) sollte darüber hinaus bei den Aufzählungen neben Maßnahmen der politischen Bildung und Prävention auch die Beratungs- und Ausstiegsarbeit erwähnen und um diese Aspekte erweitert werden.
  • Wir begrüßen ausdrücklich die deutliche sprachliche Abgrenzung der durch das Demokratiefördergesetz erfassten Maßnahmen von Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder Repressionen im Sinne polizeilicher oder ordnungsbehördlicher Maßnahmen in § 1 des Entwurfs.
  • Unter § 2 Nr. 5 zur Stärkung des Wissenstransfers, Qualifizierung und Vernetzung sollten konkret die Kompetenznetzwerke des Bundes benannt werden. Mit den Kompetenznetzwerken und -zentren sind etablierte Strukturen entstanden, die Expertise bündeln, vereinen und nachhaltig in Wissensnetzwerke einspeisen. Aufgrund des Misstrauens in der Vergangenheit, dass gegenüber der Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure bestand, sehen wir die explizite Nennung der Achtung der Ziele des Grundgesetzes unter § 5 Abs. 2 Satz 1 kritisch. Es stellt sich die Frage, in welcher Form und durch wen diese kontrolliert werden soll und aufgrund welcher Maßstäbe/Bewertungskriterien diese festgestellt werden soll. Durch die explizite Erwähnung wird aus unserer Sicht implizit die Achtung der Akteure gegenüber dem Grundgesetz bereits in der Ausgestaltung des Gesetzes weiterhin in Frage gestellt.
  • § 8 Wissenschaftliche Begleitung sollte ergänzt werden um 1. die angemessene Einbeziehung der zu evaluierenden Projekte und Träger in die Entwicklung des Evaluationsdesigns und die Auswertung der Ergebnisse zur Qualitätssicherung. 2. Die wissenschaftliche Begleitung von Projekten in Kooperation mit den Trägern der Maßnahmen und Projekte muss ermöglicht werden. Der Bund muss dementsprechend für ausreichende finanzielle Ressourcen sorgen. 3. Die Evaluation durch staatlich unabhängige Stellen aus der Wissenschaft muss im Gesetz festgehalten werden, damit eine an wissenschaftlichen Standards orientierte Begleitung der zu evaluierenden Träger und Projekte sowie eine stetige Weiterentwicklung der Maßnahmen sichergestellt ist.

Die Geschäftsführung der BAG RelEx
Berlin, den 2. November 2022

 

Hier können Sie die Stellungnahme als PDF herunterladen.

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