9. September 2022 | BAG RelEx

Handlungsempfeh­lungen der Expert*innenkommis­sion antimuslimischer Rassismus – ein Kommentar

Die Expert*innenkommission antimuslimischer Rassismus im Land Berlin, eine interdisziplinär zusammengestellte Gruppe aus Expert*innen, übergab dem Berliner Senat am 01. September 2022 die von ihr erstellten Handlungsempfehlungen. [1] Wir begrüßen die Erstellung einer solchen Handlungsempfehlung und möchten diese kommentieren.

Ziel der Erarbeitung der Handlungsempfehlungen war, auf Basis einer intensiven Auseinandersetzung mit Diskriminierung von Muslim*innen und als muslimisch gelesenen Menschen, Grundlagen für die Entwicklung einer ressortübergreifenden Handlungsstrategie zur Prävention von antimuslimischem Rassismus (AMR) in Berlin zu schaffen. Die Kommission warf bei der Erarbeitung einen kritischen Blick auf mögliche diskriminierende Praktiken der Berliner Verwaltungen und beschäftigte sich mit den Themenfeldern Bildung, Innere Sicherheit und Justiz, Antidiskriminierung sowie mit muslimischem Leben in der Berliner Stadtkultur.

Wir begrüßen die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen zum Querschnittsthema antimuslimischer Rassismus. Als Dachorganisation zivilgesellschaftlicher Träger des Arbeitsbereichs religiös begründeter Extremismus erachten wir die Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission als notwendig, sinnvoll und auch für unser Arbeitsgebiet als essenziell.

Die Expert*innenkommission empfiehlt u. a., „[b]ei der Konzeption der Fortbildungsinhalte (…), das Thema AMR nicht mit dem Themenkomplex „Religiös begründeter Extremismus“ zu koppeln, was oft aufgrund der Förderlogik passiert. Hierdurch können rassistische Stereotype verstärkt werden, die es eigentlich abzubauen gilt.“ (2022: Seite 9).

Wir möchten diesen Aspekt durch unsere Perspektive ergänzen: AMR darf als Querschnittsthema nicht ausschließlich in der Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention gegen religiös begründeten Extremismus thematisiert werden, sondern muss als eigene, sehr wirkmächtige Herausforderung anerkannt werden. Gleichzeitig ist die Verankerung von Inhalten und Maßnahmen zu antimuslimischem Rassismus auch in der Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention gegen religiös begründeten Extremismus ein notwendiger und essenzieller Bestandteil der Arbeit. Wie die Praxis unserer Mitgliedsorganisationen und auch wissenschaftliche Studien zeigen, ist AMR wie folgt Teil der Arbeit im Bereich religiös begründeter Extremismus [2]:

  • AMR ist gesellschaftlich, strukturell und institutionell verankert und ist somit eine Rahmenbedingung von Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention;
  • AMR betrifft die Zielgruppen auf unterschiedliche Weise: u. a. Jugendliche, Klient*innen, Multiplikator*innen in Regelstrukturen, Mitarbeitende in Behörden;
  • AMR spielt in Narrativen islamistischer Gruppierungen eine bedeutende Rolle und ist Teil von Rekrutierungsstrategien;
  • Rassistische Diskriminierungserfahrungen im Sinne von verweigerter Anerkennung und Zugehörigkeit können insbesondere bei Jugendlichen dazu führen, dass sie anfällig für extremistische Ansprachen werden;
  • Zivilgesellschaftliche Träger sind auch selbst Ziel von antimuslimisch rassistischen Angriffen: das drückt sich u. a. in Deligitimierungsversuchen der Arbeit gegen AMR aus;
  • Zivilgesellschaftliche Träger richten den Blick auch selbstkritisch auf eigene strukturelle und institutionelle Schieflagen und suchen nach Verbesserungsmöglichkeiten.

BAG RelEx, September 2022

 

[1] Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung (Berlin 2022): Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission antimuslimischer Rassismus Berlin. Berlin. Abgerufen von: https://www.berlin.de/sen/lads/schwerpunkte/rechtsextremismus-rassismus-antisemitismus/lads-antimusl-handlungs-202208-pa-barrierefrei.pdf.

[2] Kompetenznetzwerk “Islamistischer Extremismus“ (2022), KN:IX Report 2021. Herausforderungen, Bedarfe und Trends im Themenfeld.

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