Seit 2016 begleitet die Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. (AGB) Schulen in ganz Deutschland durch die Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung dabei, Radikalisierungsprävention systematisch, multiprofessionell und sensibel zu gestalten. Was mit dem Modellprojekt „CleaR – Clearingverfahren gegen Radikalisierung“ 2016 begann, hat sich über die Jahre zu einem bundesweiten Ansatz weiterentwickelt, der weit über das ursprüngliche Verfahren hinausgeht.

Von den Anfängen zum bundesweiten Verfahren

Das Clearingverfahren wurde im Rahmen des Modellprojekts (2016–2019) an sechs Schulen in Nordrhein-Westfalen und Berlin entwickelt und wissenschaftlich begleitet. Ziel war es, schulisches Personal zu befähigen, Hinweise auf Radikalisierung im Kollegium strukturiert, sensibel und handlungsorientiert zu bearbeiten. Dabei standen von Anfang an pädagogische Haltung, Beziehungsgestaltung und multiprofessionelle Zusammenarbeit im Mittelpunkt.
Der Ansatz zielte darauf, Radikalisierung als pädagogische Herausforderung zu verstehen – nicht als Sicherheitsproblem. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie kann Schule jungen Menschen Räume eröffnen, um Zugehörigkeit, Orientierung und Anerkennung zu erfahren, ohne auf radikale Angebote zurückzugreifen?

In den Jahren 2020-2022 wurde eine umfangreiche Weiterbildung konzipiert, die einzelne Phänomene der Radikalisierungsprävention zum Thema macht, Gesprächstechniken im Umgang mit sich radikalisierenden Schüler*innen vermittelt, rechtliche Rahmen skizziert und das teilnehmende schulische Personal mit Blick auf Chancen und Fallstricke sensibilisiert.

CleaRNetworking (2023–2025): Das Clearing-Verfahren wird zum Clearing-Ansatz

Mit der aktuellen Projektphase CleaRNetworking (2023–2025) wurde das Verfahren konsequent weiterentwickelt. Der Clearing-Ansatz versteht sich heute als ganzheitlicher Rahmen für schulische Radikalisierungsprävention, der Weiterbildung, Netzwerkbildung, Verfahren und pädagogische Haltung miteinander verbindet. In sechs Handlungsfeldern werden weiterführende Schulen bundesweit unterstützt, Prävention nachhaltig zu verankern:

  1. Weiterbildung von schulischem Personal,
  2. Clearing-Verfahren als strukturierte Fallarbeit,
  3. Handlungssicherheit in Implementierungsprozessen,
  4. Vernetzung und kollegialer Austausch,
  5. Materialien zur Unterstützung der Praxis,
  6. Publikationen und mediale Präsenz.

 

Bis heute wurden über 70 Schulen aus elf Bundesländern eingebunden und 145 Multiplikator*innen weitergebildet. Diese bilden als Tandems aus Lehrkräften und Schulsozialarbeit Teams an ihren Schulen und tragen den Ansatz als Multiplikator*innen weiter.

Systematisch. Multiprofessionell. Pädagogisch.

CleaRNetworking setzt auf ein phänomenübergreifendes Verständnis von Radikalisierung: Nicht die Zuschreibung zu bestimmten Gruppen steht im Vordergrund, sondern die Arbeit an den zugrundeliegenden Bedürfnissen junger Menschen – nach Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Zugehörigkeit. Das Projekt steht für systematische Prävention statt Einzelmaßnahmen, pädagogische Beziehung statt Sanktion und klare Haltung statt Neutralität.

Inzwischen gilt der CleaR-Ansatz als bundesweit anerkanntes Modell – auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz empfiehlt in ihrer Stellungnahme 2024 die Stärkung dieses Ansatzes.

Zehn Jahre Clearing – ein Ausblick

Nach zehn Jahren Arbeit im Feld der schulischen Radikalisierungsprävention blicken wir auf eine Entwicklung zurück, die zeigt: Nachhaltige schulische Prävention braucht Strukturen, Netzwerke und Haltung.

Mit CleaRNetworking ist aus einem Verfahren ein Ansatz geworden, der nicht nur Schulen, sondern auch Fachöffentlichkeit und Bildungspolitik inspiriert – für eine Schule, die Demokratie lebt, Vielfalt aushält und jungen Menschen Orientierung bietet.

Mit AwareNet bringt der Verein AVP e. V. innovative Ansätze in die Online-Prävention ein. Das Projekt setzt dort an, wo Jugendliche heute ihre Zeit verbringen – auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram – und entwickelt Strategien, um religiöser Radikalisierung frühzeitig zu begegnen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz werden Kommunikationsmuster und Risikofaktoren erkannt. Streetworker*innen können so direkt und deeskalierend eingreifen, während gleichzeitig positive Inhalte und kreative Gegennarrative in den digitalen Raum eingebracht werden.Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Fortbildung von Fachkräften. In praxisnahen Workshops erhalten Multiplikator*innen aus Sozialarbeit, politischer Bildung und Medienpädagogik Einblicke in digitale Streetwork, Content-Strategien und den verantwortungsvollen Einsatz neuer Technologien.

Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! wird AwareNet von AVP e. V. umgesetzt. Weitere Informationen und Workshop-Termine finden Sie hier.

Bildungsformat zur Förderung der Medienkompetenz und Meinungsbildung in unserer vielfältigen Gesellschaft

Mit dem Projekt „Lasst die Bubble platzen! – Miteinander kontrovers im Dialog“ erweitern die Kolleg*innen von Mosaik Deutschland e. V. ihr außerschulisches Angebot. Dieses richtet sich an Erwachsene sowie Jugendliche ab 14 Jahren, mit dem Ziel, deren Medien- und Informationskompetenz zu stärken.

In einer globalisierten und digital vernetzten Welt stehen uns heute mehr Informationskanäle zur Verfügung als je zuvor. Desinformationen, Hassgewalt und Algorithmen in den sozialen Medien bestimmen dabei zunehmend, was Menschen sehen und glauben. Dies führt häufig zu einer Verstärkung von Polarisierung und Abschottung in sogenannte „Bubbles“ – Informations- oder Filterblasen, die die Nutzer*innen von anderen Standpunkten isolieren.

Bildung für kritische Medienkompetenz in der Postmigrationsgesellschaft

Wie entsteht Desinformation und welche Mechanismen stecken dahinter? Wie können wir Filterblasen durchbrechen und uns kritisch mit verschiedenen Informationsquellen – auch aus internationalen Medien – auseinandersetzen? Welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit in der Mediennutzung? An diesen Fragen und Herausforderungen setzen die neuen Bildungsformate von Mosaik Deutschland e. V. an und beziehen postmigrantische und mehrsprachige Perspektiven mit ein. Mit einem migrationsbewussten und lebensweltnahen Ansatz sensibilisiert das Angebot so für Desinformationsstrategien und die Herausforderungen im Umgang mit (digitalen) Medien in unserer vielfältigen Gesellschaft. Dabei greifen die Bildungsangebote aktuelle nationale wie internationale gesellschaftliche Ereignisse wie den Krieg in der Ukraine sowie Israel und Gaza, die Wahlen in Deutschland und anderen Ländern oder Debatten um Flucht und Migration auf. Sie legen dar, wie Menschen aus verschiedenen „Bubbles“ je nach Medienkonsum oft völlig unterschiedlichen medialen Darstellungen derselben Entwicklungen begegnen.

„In unserer vielfältigen Gesellschaft ist mehrsprachiger Konsum von nationalen wie internationalen Medien längst Alltag. Diese Informationen aus unterschiedlichen Kontexten bieten eine wertvolle Perspektivenerweiterung, werden aber im gesellschaftlichen Diskurs häufig nicht ausreichend berücksichtigt oder gegeneinander ausgespielt. Wir wollen diese mehrsprachigen Zugänge aktiv miteinbeziehen und sichtbar machen, wie sie unser gesellschaftliches, vielfältiges Miteinander prägen. Dabei wollen wir Medienkompetenz stärken und eine kritische Reflektion der eigenen Filterblasen anregen“, betont Jana Aslan-Moor, Projektleiterin von Mosaik Deutschland.

 

Interaktive Workshops für Jugendliche und Erwachsene

Ob in Schulen, Jugendeinrichtungen oder im Bereich der Erwachsenenbildung: Die Teilnehmenden werden befähigt, ihren eigenen Medienkonsum zu reflektieren, Informationenquellen kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, Desinformationsstrategien zu durchschauen und konstruktiv auf Hassrede im Netz zu reagieren. So werden sie in ihrer Urteilsfähigkeit und Meinungsbildung gestärkt. Geeignet sind die unterschiedlichen Angebote für verschiedene Zielgruppen: Schüler*innen ab der Mittelstufe und Jugendliche ab 14 Jahren und Multiplikator*innen, wie pädagogische Fachkräfte, Ehrenamtliche und erwachsene Interessierte. Die Bildungsformate können ab sofort kostenfrei von Multiplikator*innen, Schulen und anderen Einrichtungen gebucht werden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite von Mosaik Deutschland e. V.

Bei Rückfragen oder Anliegen kontaktieren Sie gerne die Projektleitung, Jana Aslan-Moor: aslan-moor@mosaik-deutschland.de.

Rück- und Ausblick auf EVOLUO
Im Interview mit dem Infodienst Radikalisierungsprävention der Bundeszentrale für politische Bildung berichten Lina Hartmann und Stefan Vieres über die Erfolge des Projekts EVOLUO. (mehr …)

Vorbehaltlich der Finanzierung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) plant das Projekt EVOLUO, seine Arbeit auch 2025 fortzusetzen. Berater*innen mit Interesse an der Fortbildung und den kollegialen Fallberatungen, können sich bis zum 31. Dezember 2024 voranmelden.

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Ab Juni 2024 steht das Spiel RÄTSELRÄUME – Auf den Spuren unerzählter Geschichten der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus – KIgA e. V. kostenlos zur Verfügung. Das Spiel richtet sich an Schulklassen ab der Sekundarstufe I und verschiedene Gruppen der non-formalen Bildung. (mehr …)

Mit dem Angebot unterstützt EVOLUO Berater*innen sowie Klient*innen der Distanzierungsarbeit in allen Fällen, in denen psychische Aspekte eine Rolle spielen. Die Beratungen werden von Psycholog*innen und Therapeut*innen durchgeführt, die langjährige Erfahrung in der Fallarbeit haben.

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Mit dem zum 01. März 2024 gestarteten Projekt „WelEx“ erarbeitet das Interdisziplinäre Zentrum für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung (IZRD e. V.)  eine umfangreiche E-Learning-Weiterbildung, die für Fachkräfte der (kommunalen) Jugendämter angeboten werden soll. (mehr …)

Das Lehrbuch „Extrem. Kompetent Beraten. – Methoden für die Beratungspraxis im Themenfeld religiös begründeter Extremismus“ enthält neben einer Einführung ins Arbeitsfeld verschiedene Gesprächs- und Fragetechniken sowie über 60 konkrete Methoden und Übungen für verschiedene Sitzungsthemen. (mehr …)

Mit ihrem Podcast wollen sich die Kolleg*innen des Center for Education on Online Prevention in Social Networks, kurz CEOPS, mit Fragen rund um die unterschiedlichen Phänomenbereiche des Extremismus beschäftigen. (mehr …)