Rechtspopulismus und demokratiefeindliche Diskurse gewinnen europaweit an Einfluss. Debatten über Flucht, Migration und den (vermeintlichen) Zusammenhang mit islamistischer Radikalisierung polarisieren zunehmend. Seit dem 7. Oktober 2023 haben verstärkte islamistische Propaganda und Anschlagsaktivitäten nicht nur die reale Sicherheitslage verschärft, sondern auch die wahrgenommene Bedrohung durch extremistische Kräfte erhöht. Diese Entwicklungen fördern sowohl antisemitische als auch antimuslimische Ressentiments, die selbst in der sogenannten Mitte der Gesellschaft an Akzeptanz gewinnen – ein Klima, das rechtspopulistische Akteur*innen nutzen, um ihre Unterstützerbasis auszubauen. Islamistische Akteur*innen wiederum greifen zunehmende antimuslimische Rhetorik und daraus resultierende Ausgrenzungserfahrungen auf, integrieren sie in ihre Ideologie und instrumentalisieren sie zur Mobilisierung von Anhänger*innen.

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Islamismus darf keine Antwort auf die Schicksalsfrage sein

von: Monzer Haider und Duleem Ameen Haji

Bashar al-Assad wird am 8. Dezember 2024 gestürzt – ein Tag, den Millionen Syrer*innen seit Jahren herbeigesehnt haben. Mit dem Fall des Regimes verbinden sich zunächst Hoffnungen auf ein Ende autoritärer Herrschaft und die Aussicht auf politische Erneuerung. Zugleich ruft die neue Machtelite – eine von Hay’at Tahrir al-Sham (HTS, dt.: Komitee zur Befreiung Syriens) geführte Rebellenallianz mit ideologischen Wurzeln im jihadistischen Spektrum[1] – bei vielen Bevölkerungsgruppen im Land, insbesondere bei ethnischen und religiösen Minderheiten, erhebliche Sorgen hervor. Entwicklungen der letzten Monate bestätigen dabei viele Befürchtungen und verdeutlichen, wie brüchig die Perspektive einer demokratischen Zukunft in Syrien bleibt:

So kam es in der syrischen Provinz Suwaida im Juli 2025 zu massiven Gewaltausbrüchen mit zahlreichen Massakern an der drusischen Zivilbevölkerung, an denen neben lokalen Milizen nachweislich auch Regierungstruppen beteiligt waren.[2] Die gewaltvollen Massaker an der mehrheitlich drusischen Bevölkerung in Suwaida verdeutlichen dabei insbesondere die anhaltende Verwundbarkeit ethnischer und religiöser Minderheiten im Land. Parallel dazu rücken die für Oktober 2025 angesetzten Parlamentswahlen in den Mittelpunkt nationaler und internationaler Aufmerksamkeit[3]: Während die Übergangsregierung unter Ahmad al-Scharaa sie als Schritt zur Stabilisierung und Demokratisierung präsentiert, kritisieren insbesondere Angehörige syrischer Minderheiten den Prozess als „Farce“, die weniger demokratische Teilhabe ermöglicht, als vielmehr der Legitimierung bestehender Machtverhältnisse dienen soll. Nach über einem Jahrzehnt von Bürgerkrieg und jahrzehntelanger Diktatur bleibt damit ungewiss, in welche Richtung sich Syrien entwickeln wird. Zwischen der Hoffnung auf einen politischen Neuanfang und der Realität aus anhaltender Gewalt, antidemokratischen Einflüssen und defizitären Reformversuchen steht das Land an einem Scheideweg.

Der vorliegende Beitrag untersucht dabei die politischen Entwicklungen in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes und dem Aufstieg von Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) und richtet dabei den Blick auf die Situation ethnischer und religiöser Minderheiten im neuen Syrien. Dabei wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen sich aus der zunehmenden Gewalt an Minderheiten in Syrien auf die syrische Community – auch in der Diaspora und die salafistische Szene in Deutschland ergeben.

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Vermeintliche Transformation der HTS

Die HTS war bis 2016 unter dem Namen Jabhat al-Nusra (JN) bekannt, welche ursprünglich als syrischer Ableger der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) agierte. Ihr erklärtes Ziel war der Sturz des Assad-Regimes sowie die Gründung eines Staates islamistischer Prägung. Nach Machtkonflikten mit dem sogenannten Islamischen Staat erklärte JN 2013 seine Treue zu al-Qaida und fungierte anschließend bis 2016 als syrischer Ableger selbiger. Ein öffentliches Video mit Abu Mohammad al-Jolani (welcher sich seit der Machtübernahme 2025 wieder auf seinen bürgerlichen Namen Ahmad al-Scharaa bezieht) stellt zwar einen Bruch der organisatorischen Verbindung zu alQaida dar, eine vollständige ideologische Distanzierung gab es jedoch bis heute nicht; vielmehr dankte al-Jolani Osama bin Laden und Ayman al-Zawahiri für ihre Arbeit und Unterstützung. Er rechtfertigte die öffentliche Trennungserklärung einzig mit dem übergeordneten strategischen Interesse, die eigene Gruppe innen- wie außenpolitisch zu legitimieren. Dies wäre ohne eine formale Lossagung von Al-Qaida wohl nicht möglich gewesen.[4]

2017 entstand HTS offiziell. Der Namenswechsel sollte die Umwandlung von einer jihadistisch-ideologischen Prägung, hin zu einer stärker syrisch-nationalistischen Ausrichtung propagieren, die vor allem die Befreiung Syriens vom Assad-Regime betonte. In Idlib hatte HTS ihr politisches und militärisches Zentrum. In dieser Region setzte sich auch der Versuch einer salafistischen Beeinflussung der Gesellschaft fort: Moscheen wurden von salafistischen Akteuren dominiert, öffentliche Räume genutzt, um systematisch salafistische Inhalte zu propagieren, und niedrigschwellige Sozial- und Bildungsangebote – etwa kostenlose Bücher und Kleidung zur Körpervollverschleierung für Frauen – sollten einer weiteren Indoktrinierung dienen.

Der Sturz Assads und die Machtübernahme der HTS über große Teile Syriens bilden nun einen strategischen Wendepunkt: „Wir müssen von der Mentalität der Revolution zur Mentalität des Staates übergehen“ betont Ahmad al-Scharaa immer wieder.[5] Zur Überzeugung einer solchen Transformation zielt die HTS auf eine äußere Selbstdarstellung ab, welche ihre Loslösung von jihadistischem Extremismus beweisen soll. Auf diese Weise veränderte HTS gezielt sichtbare Symbole ihrer Herrschaft – von äußerlichen Veränderungen im Auftreten ihrer Mitglieder über demonstrative Gesten und Formen der Interaktion mit Frauen bis hin zu symbolpolitischen Maßnahmen wie der Ernennung einer Christin zur Ministerin oder dem allmählichen Austausch der Schahada-Flagge durch die Oppositionsflagge. Parallel dazu ziehen salafistische Missionierungsbewegungen organisiert von Stadt zu Stadt, um ihre Lehre in sunnitisch geprägten Gebieten zu verbreiten. Dabei greifen sie insbesondere die von der Mehrheit der Syrer*innen vertretenen asharitischen, maturidischen und sufistischen Traditionen an, während religiöse Minderheiten, wie etwa Drus*innen, Alawit*innen und Christ*innen zusätzlich gezielter Gewalt ausgesetzt sind. Aus dieser ideologischen Abwertung erwächst zugleich ein gesellschaftliches und politisches Klima, das Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheiten begünstigt und rechtfertigt.

Alawit*innen – Generalverdacht und gezielte Gewalt 

Besonders betroffen von dieser Gewalt sind Alawit*innen, die im salafistischen Denken als ‚unislamisch‘ gelten und zudem unter Generalverdacht stehen, Anhänger*innen des Assad-Regimes zu sein. Ab März 2025 schlug dieser Generalverdacht in gezielte Gewalt gegen Alawit*innen um. Salafistische Akteure riefen aus Moscheen zu Gewalthandlungen gegen Gebiete, in denen mehrheitlich Alawit*innen leben, auf. Tausende Jihadisten folgten den Aufrufen und übten in der Folge gezielt Gewalt aus – von Morden über Vergewaltigungen und Erniedrigungen bis hin zu Plünderungen und der gezielten Zerstörung religiöser Stätten.  Hierbei kam es insbesondere zu sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Gerechtfertigt wurden diese Gräueltaten mit der Behauptung, dass Anhänger*innen Assads vermeintlich danach streben, einen alawitisch-geprägten Staat zu gründen. Die Gewalt richtete sich dabei auch bewusst gegen Drus*innen.[6]

Die drusische Gemeinschaft im Visier der HTS

Ziel systematischer Gewalt durch islamistische Akteure in Syrien ist seit langem auch die drusische Gemeinschaft (auch al-Muwaḥḥidūn, arabisch: ‚Bekenner der Einheit Gottes‘). Weil ihre religiösen Überzeugungen dem salafistischen Islambild widersprechen, werden Drus*innen ebenfalls als „unislamisch“ abgewertet – was sich in Massakern wie 2015 in Qalb Lawzeh (Idlib) durch Jabhat al-Nusra oder 2018 in der Provinz Suwaida durch eine dem sogenannten Islamischen Staat nahestehende Gruppe zeigte.

Im April 2025 kam es in Jaramana, einem überwiegend von Drus*innen bewohnten Damaszener Vorort, zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen HTS-Sicherheitskräften und drusischen Kräften, bei denen zahlreiche Zivilist*innen ums Leben kamen. Nach einer vorübergehenden Einigung brachen erneut Kämpfe aus: Drus*innen wurden wiederholt Ziel islamistischer Angriffe, zuletzt in der südlichen Provinz Suweida. Dort kam es zu Massakern, bei denen Hunderte Leichen im Nationalkrankenhaus lagen, weil es an Personal und logistischen Kapazitäten für Beerdigungen fehlte.[7] Darüber hinaus zielte die Gewalt vor allem auch darauf ab, Drus*innen zu entwürdigen. So wurden drusischen Männern unter anderem die Schnurrbärte als Symbol der Erniedrigung gestutzt, während Frauen sexualisierte Gewalt erlitten.[8] Verstärkt wurde diese Eskalation durch die Beteiligung weiterer islamistischer und nationalistischer Gruppierungen, die die Polarisierung der syrischen Gesellschaft weiter vertieften. Dies hat derzeit zur Folge, dass sich die Stadt seit Wochen in einem Ausnahmezustand befindet. Hilfslieferungen erreichen die Provinz nur eingeschränkt, da die HTS ihre Bevölkerung kollektiv zu bestrafen scheint. Besonders medizinische Behandlungen wie Krebstherapien leiden unter dem Versorgungsmangel. Drus*innen fordern deshalb humanitäre Korridore nach Jordanien und Rojava. Das Vertrauen in die HTS-Regierung in Damaskus ist durch die erfahrene Gewalt erschüttert, auch wenn diese einen nationalen Untersuchungsausschuss zu den Ereignissen angekündigt hat. Die Menschen in Suwaida hingegen verlangen eine internationale Untersuchung.[9]

HTS-Propaganda in der syrischen Diaspora

Die Gewalt und Anfeindungen gegenüber Minderheiten bleibt jedoch nicht allein auf Syrien beschränkt. Auch in Deutschland fühlen sich Angehörige syrischer Minderheiten zunehmend bedroht. Auf Demonstrationen und Plattformen wie TikTok taucht vermehrt das Bild der Schere auf. Das sogenannte Scherensymbol bezieht sich dabei in direkter Weise auf das jüngste Massaker in Syrien, bei denen drusische Männer und Geistliche durch islamistische Milizen gezwungen wurden, sich mit Scheren die Bärte abzuschneiden. Durch die Gestikulation einer Scherenbewegung, das Zeigen einer tatsächlichen Schere oder die Verwendung entsprechender Emojis wird diese Symbolik auf Demonstrationen in Deutschland und in den sozialen Medien vermehrt aufgegriffen und die Billigung der Gewalt an religiösen Minderheiten öffentlich signalisiert. Prominentere Verbreitung erfuhr das Zeichen etwa durch den Micro-Influencer Hisham al-Ali, der in Berlin zu Kundgebungen aufrief und das Scherensymbol provokativ in seinen Videos inszenierte.[10]

Drus*innen werden dabei bei Demonstrationen als „Verräter*innen“, Kurd*innen als „Atheist*innen“ und Alawit*innen als „Assad-Anhänger*innen“ diffamiert; Insgesamt entsteht innerhalb der Diaspora ein Klima gezielter Ausgrenzung und Feindseligkeit, selbst in Räumen, die Solidarität mit Betroffenen signalisieren wollen. Auch innerhalb der syrisch-sunnitischen Community werden solidarische Stimmen stigmatisiert. Der abwertende Begriff „Cute-Sunni“[11], geprägt von HTS-nahen Propagandist*innen, dient dazu, arabische Sunnit*innen zu diskreditieren, die nicht dem ideologischen Weltbild von HTS entsprechen. Sie werden als „Hochverräter*innen“ gebrandmarkt; ein gefährliches Narrativ, das gezielt spaltet. In sozialen Netzwerken verbreiten darüber hinaus zahlreiche HTS-nahe Accounts, betrieben von in Deutschland lebenden Personen, islamistische Hassnarrative gegenüber Minderheiten. Die Gewalt gegen Drus*innen hat neben physischen Angriffen damit auch eine stark symbolische Dimension. So werden gezielt propagandistische Inhalte eingesetzt, die ihre religiöse und kulturelle Identität herabwürdigen. Parallel dazu bedienen sich islamistische Akteure Verschwörungserzählungen, in denen die drusische Konfession verzerrt und abgewertet dargestellt wird. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der in Deutschland lebende syrische Salafist Mohammad Bin Shams al-Din, der Drus*innen auf seiner Webseite als „Taqīya-Gemeinschaft“ diffamiert, ihnen also unterstellt, ihre wahren Überzeugungen zu verbergen.[12] Zudem wirft er ihnen vor, die Propheten und ihre Gefährten zu beleidigen und nutzt auch den drusischen Glauben an Reinkarnation als Angriffspunkt. Solche Verschwörungserzählungen und abwertenden Zuschreibungen sind nicht nur rassistisch und diskriminierend, sondern dienen als ideologische Grundlage und potenzielle Rechtfertigung für Gewalt – sowohl in Syrien als auch in Deutschland.

Der Kampf gegen islamistische Narrative

Die Thematisierung und Auseinandersetzung mit der Diskriminierung syrischer Minderheiten innerhalb migrantischer und muslimischer Communities – insbesondere in Deutschland – ist von zentraler Bedeutung. Es zeigt sich hier nämlich eine besondere Herausforderung: Minderheiten wie Drus*innen, aber auch weitere Minderheiten wie z.B. Alawit*innen oder Ezid*innen bilden innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft bereits marginalisierte Gruppen, werden jedoch zugleich auch in Teilen von einigen migrantischen Communities und Diasporagemeinschaften als „eine Minderheit in der Minderheit“ erneut diskriminiert.14 Diese doppelte Verwundbarkeit macht sie besonders gefährdet für Einschüchterung, Gewalt und Ausgrenzung. In ideologischen Milieus, in denen islamistische Haltungen, antikurdische Ressentiments und türkisch-nationalistische Überlegenheitsvorstellungen     aufeinandertreffen,    entstehen    sowohl    Feindbilder    als    auch    neuartige antidemokratische Allianzen, die reale Bedrohungslagen für betroffene Communities in Deutschland darstellen und extremistische Radikalisierungsprozesse innerhalb von Deutschland als solche vorantreiben. In diesem Kontext können u.a. einige Demonstrationen und Kundgebungen in Düsseldorf im Juli 2025 angeführt werden, bei denen vermehrt Hass- und Gewaltparolen gegen Minderheiten skandiert wurden – insbesondere durch Anhänger*innen des HTS-Regimes gemeinsam mit Teilen der türkischen Rechten.[13] Derartige „solidarische“ Zusammenschlüsse bergen die erhebliche Gefahr, das HTS-Regime im Ausland indirekt zu stützen und ihm zur außenpolitischen Legitimation zu verhelfen. Gerade aus diesem Grund braucht es in Deutschland sogenannte „HTS-freie Räume“: geschützte Orte, an denen sich Menschen unabhängig von ideologischer Bevormundung, religiösem Dogmatismus und gewaltsamer Bedrohung begegnen können. Treffpunkte, Bildungsstätten und Community-Zentren, in denen keine Symbole, Parolen oder Personen geduldet werden, die mit HTS, islamistischer Ideologie oder Gewaltverherrlichung in Verbindung stehen, sind für betroffene Minderheiten lebenswichtig.

Darüber hinaus braucht es in Deutschland mehr Räume und Angebote, in denen Syrer*innen offen über die Gefahren und Folgen islamistischer Herrschaftsformen sprechen können. Wichtig sind Formate, die sich ausdrücklich mit der Dekonstruktion von HTS-Narrativen auseinandersetzen und dabei für unterschiedliche Zielgruppen zugänglich sind.

Dabei reicht es nicht, Präventionsangebote allein auf die Bekämpfung klassisch-islamistischer Argumentationsmuster zu beschränken. Inhalte in sozialen Medien zeigen, dass HTS-Anhänger*innen zunehmend auch gesellschaftspolitische Themen wie Sexismus, Identitätsfragen oder arabischen Nationalismus aufgreifen. Zugleich entstehen Brückennarrative, die ideologische Schnittmengen zu anderen extremistischen Strömungen schaffen – etwa über Männlichkeitsbilder, Antifeminismus oder Verschwörungsideologien. Zahlreiche Präventionsprojekte greifen bereits Brückennarrative auf, indem sie gemeinsame ideologische Muster verschiedener extremistischer Gruppen sichtbar machen und adressieren. Für die Weiterentwicklung der Präventionsarbeit erscheint es zentral, diese Ansätze weiter auszubauen und noch passgenauer in jenen Kontexten zu verankern, in denen eine besondere Relevanz für die Erreichung der jeweiligen Zielgruppen besteht. Es besteht somit die Notwendigkeit, entsprechende Räume in Deutschland weiter zu stärken. Währenddessen engagieren sich Aktivist*innen in Syrien weiterhin unter äußerst prekären Bedingungen für die Aufklärung der Gräueltaten in Suwaida, für Selbstbestimmung und die Gleichberechtigung unterschiedlicher Minderheiten und eröffnen durch den Aufbau solidarischer Bündnisse mitunter Diskursräume, in denen diese Themen ebenso wie Perspektiven für die zukünftige Entwicklung eines demokratischen Syriens verhandelt werden.[14]

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Die Autor*innen

Monzer Haider (er/ihm) studierte Politik- und Islamwissenschaften, Philosophie sowie Islamische Theologie. Derzeit promoviert er an der Universität Tübingen am Zentrum für Islamische Theologie zur Entwicklung salafistischer Szenen in Deutschland und ist dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Zuvor war er u.a. an der MasterClass: Präventionsfeld Islamismus der Bundeszentrale für politische Bildung beteiligt und veröffentlichte wissenschaftliche Beiträge im Themenfeld, u.a. im Journal EXIT-Deutschland – Zeitschrift für Deradikalisierung und demokratische Kultur.

Duleem Ameen Haji (er/ihm) studiert Medizin an der Universität Tübingen und ist freier Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Darüber hinaus engagiert er sich als Wertebotschafter bei German Dream und als Mitglied der Stelle für Jesidische Angelegenheiten für die Rechte und Sichtbarkeit der ezidischen Community. Gemeinsam mit Monzer Haider ist er Mitherausgeber der ÇÎYA-Zeitschrift, einer Plattform,
die geflüchteten, migrantischen und marginalisierten Stimmen Raum gibt und ihre Perspektiven sichtbar macht.

Anmerkungen und Literaturverzeichnis

[1] Die klassische Dreiteilung des Salafismus in „puristisch“, „politisch“ und „jihadistisch“ erweist sich im syrischen Kontext als unzureichend. Bei der HTS verschwimmen diese Kategorien, da Elemente aller drei Strömungen sichtbar sind. Eine Übertragung der in Deutschland etablierten Analysemodelle auf Syrien ist daher wenig sinnvoll. Dort vollzieht sich aktuell eine Institutionalisierung und Verstaatlichung salafistischer Narrative – eine kollektive Salafisierung durch staatlich gelenkte Ressourcen und Institutionen, die einen fundamentalen Unterschied zur Situation in Deutschland darstellt.

[2] Vgl. medico international (2025); Amnesty International (2025); Die Zeit (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025)

[3] Mitte Oktober sollen in Syrien die sogenannten Parlamentswahlen stattfinden. Dabei spielt Interimspräsident Ahmad alScharaa eine zentrale Rolle: Zum einen ernannte er bereits im Juni einen elfköpfigen Obersten Ausschuss, der die „Wahlen“ überwachen soll. Zum anderen wird er nach Abschluss des „Wahlprozesses“ dem neuen Parlament weitere 70 Abgeordnete hinzufügen (vgl. Deutsche Welle 2025, letzter Aufruf: 15.09.2025).

[4] Zu den Hintergründen des organisatorischen Bruchs der Jabhat al-Nusra mit al-Qaida vgl. BBC News Arabic (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025).

[5] Zur Analyse des von Ahmad al-Scharaa geäußerten Zitats vgl. Sharq al-Arabi (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025).

[6] Vgl. Hessenschau (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025)

[7] Vgl. BBC News Arabic (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025)

[8] Vgl. Daraj Media (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025)

[9] Vgl. taz (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025)

[10] Vgl. Democ (2025) (letzter Aufruf: 20.09.2025)

[11] Da sich das HTS-Regime als Vertreter aller Sunnit*innen präsentiert, werden sunnitische Kritiker*innen des Regimes häufig mit dem Begriff „Cute-Sunni“ herabgewürdigt. Die Bezeichnung unterstellt ihnen eine übertriebene Solidarität mit religiösen und ethnitischen Minderheiten, während ihnen gleichzeitig mangelnde Unterstützung gegenüber der sunnitischen Gemeinschaft vorgeworfen wird. Interessanterweise wird der Begriff „Cute-Sunni“ von Teilen sunnitischer Syrer*innen als Selbstbezeichnung übernommen, um ihre bewusste Solidarität mit unterdrückten und marginalisierten Gruppen zum Ausdruck zu bringen.

[12] In diesem Kontext veröffentlichte Shams al-Din auf seiner  Webseite (2022) einen ausführlichen, arabischsprachigen Beitrag zur drusischen Religion. Darüber hinaus verfügt er über eine erhebliche Reichweite in den sozialen Medien: So folgen ihm auf YouTube etwa 930.000 Personen und auf Instagram mehr als 307.000 Nutzerinnen und Nutzer (Stand: 27.08.2025).  14 Mehr zu einer differenzierten Betrachtung des Themenfeldes innermigrantischer Rassismus bietet der 2024 veröffentlichte Sammelband Doppelt unsichtbar Innermigrantischer Rassismus in Deutschland und die organisierte türkische Rechte.

[13] Am 20. Juli 2025 fanden vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof zwei Demonstrationen statt: Auf der einen Seite versammelten sich Angehörige syrischer Minderheiten, insbesondere Drus*innen und Kurd*innen, auf der anderen Seite Anhänger*innen des HTS-Regimes. Bei der Pro-HTS-Demonstration wurden Symbole gezeigt, die in Syrien für Gewalt, Demütigung und Mord an Minderheiten stehen. Auch Symbole der türkisch-rechtsextremen Grauen Wölfe waren dort zu sehen (vgl. Democ 2025; Kurdische Gemeinde Deutschland 2025, WDR Aktuell 2025, letzter Aufruf: 20.09.2025.)

[14] Beispiele hierfür sind u.a. Demonstrationen in Damaskus im August 2025, bei denen Hunderte Menschen gegen die von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission zu den jüngsten tödlichen Auseinandersetzungen in Suwaida protestierten und stattdessen eine unabhängige internationale Untersuchung forderten (Watson 2025, letzter Aufruf: 15.09.2025). Ebenso fanden im selben Monat Kundgebungen der drusischen Minderheit in Suwaida statt, bei denen das Recht auf Selbstbestimmung betont und politische Reformen verlangt wurden (AP News 2025, letzter Aufruf: 15.09.2025). Darüber hinaus startete die Women’s Joint Events Platform in Qamishlo im Nordosten Syriens eine mehrsprachige Solidaritätskampagne unter dem Slogan „Together to Support the Women of Suwayda in Confronting Genocide“, die auf die systematische Gewalt gegen Frauen in Suwaida aufmerksam mache und angesichts fehlenden staatlichen Schutzes sowie internationaler Untätigkeit zur Unterstützung der Betroffenen aufruft (ANHA 2015, letzter Aufruf: 15.09.2025).

 

 

 

Mit AwareNet bringt der Verein AVP e. V. innovative Ansätze in die Online-Prävention ein. Das Projekt setzt dort an, wo Jugendliche heute ihre Zeit verbringen – auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram – und entwickelt Strategien, um religiöser Radikalisierung frühzeitig zu begegnen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz werden Kommunikationsmuster und Risikofaktoren erkannt. Streetworker*innen können so direkt und deeskalierend eingreifen, während gleichzeitig positive Inhalte und kreative Gegennarrative in den digitalen Raum eingebracht werden.Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Fortbildung von Fachkräften. In praxisnahen Workshops erhalten Multiplikator*innen aus Sozialarbeit, politischer Bildung und Medienpädagogik Einblicke in digitale Streetwork, Content-Strategien und den verantwortungsvollen Einsatz neuer Technologien.

Gefördert im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! wird AwareNet von AVP e. V. umgesetzt. Weitere Informationen und Workshop-Termine finden Sie hier.

Für unser Verbundprojekt KN:IX connect | Verbund Islamismusprävention und Demokratieförderung sind wir auf der Suche nach einer erfahrenen Agentur oder einem Partner, die/der uns in den kommenden vier Jahren begleitet – mit einem klaren Blick von außen, konstruktivem Feedback, für eine fundierte Evaluation unserer Arbeit.

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Die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2025 bieten die Chance, den ganzheitlichen Ansatz zur Prävention von Islamismus weiter zu stärken und unsere Gesellschaft durch das Fördern gemeinsamer und demokratischer Werte widerstandsfähig zu machen.  Zivilgesellschaftliche Akteure spielen dabei eine zentrale Rolle in der Prävention von religiös begründetem Extremismus – insbesondere, aber nicht ausschließlich – indem sie frühzeitig Risiken erkennen, die Resilienz von Gemeinschaften stärken und innovative Ansätze zur Deradikalisierung fördern.

Dieses Papier liefert Impulse für die zukünftige Bundesregierung, um eine effektive und langfristige Strategie zur Extremismusprävention zu entwickeln. Es adressiert zentrale Herausforderungen und formuliert Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Ressorts für die neue Legislaturperiode, wobei diese nicht als nur für das jeweilige Ressorts relevant betrachtet werden sollten. Wir fordern eine stärkere institutionelle Verankerung, eine verlässliche Finanzierung und eine auf Respekt und Vertrauen basierende Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft, um gemeinsam eine offene und demokratische Gesellschaft zu stärken.

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Ansprechpersonen für Rückfragen

Inhaltliche Rückfragen: Miriam Katharina Heß
Presseanfragen: Charlotte Leikert

 

Über policy:brief

Das policy:brief der BAG RelEx fasst Positionen und Erkenntnisse aus unserer Arbeit prägnant zusammen und nimmt dabei besonders Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen und Herausforderungen. Das policy:brief geht auf der einen Seite einen Schritt zurück und erklärt Zusammenhänge und auf der anderen Seite einen Schritt weiter, indem es zielgruppenorientierte und -gerechte Handlungsempfehlungen enthält. Unsere Arbeit und die unserer rund 40 Mitgliedsorganisationen wird so zielgruppengerecht kommuniziert und der Austausch mit externen Stakeholdern und Akteuren aus Wissenschaft, Politk, Verwaltung und Wirtschaft unterfüttert. Hier kommen Sie zur Übersicht der Ausgaben.

 

Vorbehaltlich der Finanzierung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) plant das Projekt EVOLUO, seine Arbeit auch 2025 fortzusetzen. Berater*innen mit Interesse an der Fortbildung und den kollegialen Fallberatungen, können sich bis zum 31. Dezember 2024 voranmelden.

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Der Nahostkonflikt in der Islamismusprävention

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Die Anschläge der islamistischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 und der dadurch ausgelöste Krieg zwischen Israel und der Hamas haben in Deutschland zu einem deutlichen Anstieg von Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus geführt. Im Zusammenhang mit der Islamismusprävention sind beide Phänomene besonders relevant, da sie zentrale Merkmale von islamistischem Extremismus sind. Einerseits ist Antisemitismus ein Kernbestandteil islamistischer Ideologie, auch in Form des israelbezogenen Antisemitismus; andererseits stellt antimuslimischer Rassismus einen starken Pull-Faktor innerhalb islamistischer Propaganda und Radikalisierung dar. Um Islamismus effektiv vorzubeugen, muss Demokratieförderung gezielt gegen Antisemitismus
und antimuslimischen Rassismus vorgehen und beide Phänomene nicht getrennt, sondern zusammen in den Blick nehmen und bearbeiten.

Handlungsempfehlungen

Die Prävention von Islamismus muss also über den Weg der Demokratieförderung laufen, die sowohl Antisemitismus als auch antimuslimischen Rassismus gleichzeitig in den Blick nimmt. Im Nahostkonflikt wird Antisemitismus oft als Ausdruck des Leids der jüdischen Seite und antimuslimischer Rassismus als Ausdruck des Leids der palästinensischen Seite verstanden. Dennoch sollten diese Phänomene nicht isoliert betrachtet werden, da der Konflikt als Ganzes analysiert werden muss, um die komplexen wechselseitigen Dynamiken von Vorurteilen, Ausgrenzung und Gewalt zu verstehen und zu überwinden. Um die Herausforderungen angemessen und effektiv bewältigen zu können, müssen.

  1.  Regelstrukturen gezielt gestärkt werden, um den Auswirkungen des Nahostkonflikts effektiv begegnen zu können. Dies erfordert nicht nur Schulungen und Weiterbildungen, sondern auch
    die gezielte Zusammenarbeit mit qualifizierten zivilgesellschaftlichen Anlaufstellen, die Unterstützung in Krisensituationen bieten können. Es muss anerkannt werden, dass Lehrkräfte und andere Akteure in der Demokratieförderung nicht alle Herausforderungen allein bewältigen können und jede beteiligte Institution eine spezifische Rolle erfüllt. Dazu zählt auch die Präventionsarbeit der Sicherheitsbehörden, die ein zentraler Bestandteil eines ganzheitlichen Ansatzes zur Islamismusprävention ist
  2. Der Dialog zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinschaften muss aktiv gefördert und gestärkt werden. Insbesondere im Kontext der Auswirkungen des Nahostkonflikts sollten Partnerschaften mit religiösen Gemeinschaften nun umgesetzt werden, nachdem darüber bereits seit Jahren diskutiert wird. Diese Partnerschaften bringen wichtige Vorbilder, Respekts- und Autoritätspersonen in die Islamismusprävention ein, die auf ihre Gemeinschaften besonderen Einfluss haben und dadurch zur Vertrauensbildung beitragen. Solche Initiativen helfen direkt vor Ort, Spannungen zu reduzieren, Vertrauen zu schaffen und Stereotypen abzubauen. Ein besonderer Schwerpunkt sollte dabei auf der gemeinsamen Aufarbeitung des Nahostkonflikts und dessen Einfluss auf die deutsche Gesellschaft liegen.
  3. Der Nahostkonflikt muss dazu führen, die Islamismusprävention als ganzheitlichen Ansatz zu formulieren, der klare Rollenverständnisse und Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteure stärkt. Anstatt gegenseitigen Schuldzuweisungen oder Zuständigkeitsdebatten Raum zu geben, muss die akteursübergreifende Zusammenarbeit gefördert werden. Dies erfordert die enge Kooperation von Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, religiösen Gemeinschaften und Sicherheitsbehörden, um gemeinsam effektiv auf die Herausforderungen des Konflikts zu reagieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern.

 

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Ansprechpersonen für Rückfragen

Inhaltliche Rückfragen: Miriam Katharina Heß
Presseanfragen: Charlotte Leikert

Die Autor*innen

Miriam Katharina Heß ist seit 2024 Fachreferentin für religiös begründeten Extremismus bei der BAG RelEx. Sie studierte National and International Administration and Policy an der Universität Potsdam sowie Politikwissenschaften an der Universität Hamburg. Aktuell untersucht sie im Rahmen ihrer Promotion die Sicherheitsrhetorik von Terrorismus im Kontext von Versicherheitlichung in Europa an der Universität Leipzig.

Rüdiger José Hamm ist Co-Geschäftsführer der BAG RelEx. Er ist Diplom-Politologe mit einem Abschluss am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Freie Universität Berlin. Seit 2003 ist er in der politischen Bildungsarbeit tätig. Zu seinen wissenschaftlichen Expertisen gehören Rassismus und Antisemitismus. Insbesondere forschte er zu Identitätskonstruktionen, Selbst- und Fremdwahrnehmungen von Menschen mit bi- und multiethnischer Herkunft sowie zu Fragen nach den Überschneidungen und Unterschieden rassistischer Diskriminierung und Antisemitismus.

Über policy:brief

Das policy:brief der BAG RelEx fasst Positionen und Erkenntnisse aus unserer Arbeit prägnant zusammen und nimmt dabei besonders Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen und Herausforderungen. Das policy:brief geht auf der einen Seite einen Schritt zurück und erklärt Zusammenhänge und auf der anderen Seite einen Schritt weiter, indem es zielgruppenorientierte und -gerechte Handlungsempfehlungen enthält. Unsere Arbeit und die unserer rund 40 Mitgliedsorganisationen wird so zielgruppengerecht kommuniziert und der Austausch mit externen Stakeholdern und Akteuren aus Wissenschaft, Politk, Verwaltung und Wirtschaft unterfüttert. Hier kommen Sie zur Übersicht der Ausgaben.

 

 

Im Rahmen der begleitenden Evaluation, die von 2020 bis 2024 im Auftrag des Kompetenznetzwerks „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX) durch IMAP GmbH durchgeführt wird, ist der Abschlussbericht 2024 erschienen. Diesen können Sie hier kostenfrei herunterladen. Die Zusammenfassung können Sie bereits in diesem Beitrag lesen:

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Mit dem zum 01. März 2024 gestarteten Projekt „WelEx“ erarbeitet das Interdisziplinäre Zentrum für Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung (IZRD e. V.)  eine umfangreiche E-Learning-Weiterbildung, die für Fachkräfte der (kommunalen) Jugendämter angeboten werden soll. (mehr …)

Das Lehrbuch „Extrem. Kompetent Beraten. – Methoden für die Beratungspraxis im Themenfeld religiös begründeter Extremismus“ enthält neben einer Einführung ins Arbeitsfeld verschiedene Gesprächs- und Fragetechniken sowie über 60 konkrete Methoden und Übungen für verschiedene Sitzungsthemen. (mehr …)