12. Dezember 2025
policy:brief No. 5 | Vereinsverbote und was dann?
Die Rolle von Vereinsverboten in der Bekämpfung von Islamismus
Mit dem jüngsten Vereinsverbot gegen„Muslim Interaktiv“ im November 2025 hat das Bundesinnenministerium ein deutliches Signal im Umgang mit islamistischen Strukturen gesetzt. Zugleich zeigt der Blick auf die vorangegangenen Entwicklungen im Umfeld von „Muslim Interaktiv“,„Generation Islam“ und „Realität Islam“, dass sich islamistische Akteur*innen längst auf staatliche Eingriffe eingestellt haben. Trotz formaler Auflösungen blieben Inhalte, Narrative und Akteursnetzwerke bestehen; teils erreichen sie sogar neue Zielgruppen durch modernisierte Auftritte, jugendaffine Ästhetiken und professionalisierte Mobilisierung. Diese Dynamiken machen deutlich, dass Vereinsverbote zwar notwendige Eingriffe darstellen, ihre Wirksamkeit aber begrenzt bleibt, wenn sie ausschließlich repressiv gedacht werden. Erst in der engen Verzahnung mit präventiven Perspektiven lassen sich ideologische Kontinuitäten, Anschlussfähigkeiten und Nachfolgeformate nachhaltig adressieren.
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Handlungsempfehlungen
- Prävention mit repressiven Maßnahmen in Bezug auf Vereinsverbote verzahnen
Da Vereinsverbote zwar formale Strukturen zerschlagen, ideologische Kontinuitäten und digitale Anschlussfähigkeit jedoch häufig bestehen bleiben, müssen sicherheitspolitische Eingriffe konsequent durch stabile Präventionsstrukturen ergänzt werden. Präventionsarbeit adressiert jene Faktoren, die Radikalisierungsprozesse begünstigen, stärkt Resilienz und Teilhabe und schafft Zugänge zu Zielgruppen, die staatlichen Institutionen mit Misstrauen begegnen. Bund und Länder sollten Prävention daher als festen Bestandteil ihrer Strategien zur Bekämpfung extremistischer Ideologien institutionell absichern und langfristig finanzieren. - Intersektorale Kooperation ausbauen, um der Verlagerung von extremistischen Aktivitäten nach Verboten frühzeitig entgegenwirken zu können
Die Verlagerung extremistischer Aktivitäten in digitale, informelle oder transnationale Strukturen nach Vereinsverboten zeigt, dass isolierte Perspektiven nicht ausreichen, um die Dynamiken vollständig zu erfassen. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Forschung und zivilgesellschaftlichen Trägern ermöglicht eine frühzeitige Identifikation von Nachfolgeformaten, neuen Mobilisierungsformen und digitalen Trendbewegungen. Intersektorale Kooperationsstrukturen sollten daher auf allen Ebenen systematisch gestärkt und dauerhaft verankert werden. - Sensibler Umgang mit Diskursen über Vereinsverbote Eine klare Kommunikation über die rechtliche Grundlage und Zielrichtung von Vereinsverboten kann zur Transparenz und Vertrauensbildung beitragen und einer ideologischen Instrumentalisierung durch extremistische Akteure entgegenwirken. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass diese Debatten differenziert, rechtlich fundiert und im Einklang mit demokratischen Grundwerten geführt werden, da sie das Risiko bergen, Ausgrenzungserfahrungen junger Muslim*innen ungewollt zu verstärken – insbesondere dann, wenn sie einseitig oder stigmatisierend geführt werden.
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Inhaltliche Rückfragen: Ivo Lisitzki
Die Autor*innen
Ivo Lisitzki ist seit 2025 Referent für Politik und Europäische Vernetzung bei der BAG RelEx. Zuvor war er hier bis Dezember 2024 als Fachreferent für religiös motivierten Extremismus tätig. Er hat Politikmanagement (BA) und International Relations Middle East (MA) in Bremen, Istanbul und Durham studiert und im Anschluss vor allem zu religiös begründetem Extremismus in Zusammenhang mit Strafvollzug, Bewährungshilfe und Wiedereingliederung in die Gesellschaft bei der Senatorin für Justiz und Verfassung in Bremen gearbeitet und publiziert. Darüber hinaus hat Ivo Lisitzki in verschiedenen europäischen Projekten im Themenfeld Radikalisierung, Risk Assessment und Evaluation mitgewirkt.
Jamuna Oehlmann ist Geschäftsführerin der BAG RelEx und leitet seit 2025 KN:IX connect | Verbund Islamismusprävention und Demokratieförderung. Zuvor hatte Sie die Leitung des Kompetenznetzwerks „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX, 2020-2024) inne. Sie verfügt über einen akademischen Hintergrund in Asienwissenschaften sowie Internationale Beziehungen und Diplomatie, den sie in Berlin, Bangkok und London erworben hat. In ihren Studien hat sie sich insbesondere mit Fragen der internationalen Sicherheit und des Terrorismus auseinandergesetzt.
Über policy:brief
Das policy:brief der BAG RelEx fasst Positionen und Erkenntnisse aus unserer Arbeit prägnant zusammen und nimmt dabei besonders Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen und Herausforderungen. Das policy:brief geht auf der einen Seite einen Schritt zurück und erklärt Zusammenhänge und auf der anderen Seite einen Schritt weiter, indem es zielgruppenorientierte und -gerechte Handlungsempfehlungen enthält. Unsere Arbeit und die unserer rund 40 Mitgliedsorganisationen wird so zielgruppengerecht kommuniziert und der Austausch mit externen Stakeholdern und Akteuren aus Wissenschaft, Politk, Verwaltung und Wirtschaft unterfüttert. Hier kommen Sie zur Übersicht der Ausgaben.
