21. Oktober 2025
Zehn Jahre Clearing in der schulischen Radikalisierungsprävention
Seit 2016 begleitet die Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. (AGB) Schulen in ganz Deutschland durch die Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung dabei, Radikalisierungsprävention systematisch, multiprofessionell und sensibel zu gestalten. Was mit dem Modellprojekt „CleaR – Clearingverfahren gegen Radikalisierung“ 2016 begann, hat sich über die Jahre zu einem bundesweiten Ansatz weiterentwickelt, der weit über das ursprüngliche Verfahren hinausgeht.
Von den Anfängen zum bundesweiten Verfahren
Das Clearingverfahren wurde im Rahmen des Modellprojekts (2016–2019) an sechs Schulen in Nordrhein-Westfalen und Berlin entwickelt und wissenschaftlich begleitet. Ziel war es, schulisches Personal zu befähigen, Hinweise auf Radikalisierung im Kollegium strukturiert, sensibel und handlungsorientiert zu bearbeiten. Dabei standen von Anfang an pädagogische Haltung, Beziehungsgestaltung und multiprofessionelle Zusammenarbeit im Mittelpunkt.
Der Ansatz zielte darauf, Radikalisierung als pädagogische Herausforderung zu verstehen – nicht als Sicherheitsproblem. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie kann Schule jungen Menschen Räume eröffnen, um Zugehörigkeit, Orientierung und Anerkennung zu erfahren, ohne auf radikale Angebote zurückzugreifen?
In den Jahren 2020-2022 wurde eine umfangreiche Weiterbildung konzipiert, die einzelne Phänomene der Radikalisierungsprävention zum Thema macht, Gesprächstechniken im Umgang mit sich radikalisierenden Schüler*innen vermittelt, rechtliche Rahmen skizziert und das teilnehmende schulische Personal mit Blick auf Chancen und Fallstricke sensibilisiert.
CleaRNetworking (2023–2025): Das Clearing-Verfahren wird zum Clearing-Ansatz
Mit der aktuellen Projektphase CleaRNetworking (2023–2025) wurde das Verfahren konsequent weiterentwickelt. Der Clearing-Ansatz versteht sich heute als ganzheitlicher Rahmen für schulische Radikalisierungsprävention, der Weiterbildung, Netzwerkbildung, Verfahren und pädagogische Haltung miteinander verbindet. In sechs Handlungsfeldern werden weiterführende Schulen bundesweit unterstützt, Prävention nachhaltig zu verankern:
- Weiterbildung von schulischem Personal,
- Clearing-Verfahren als strukturierte Fallarbeit,
- Handlungssicherheit in Implementierungsprozessen,
- Vernetzung und kollegialer Austausch,
- Materialien zur Unterstützung der Praxis,
- Publikationen und mediale Präsenz.
Bis heute wurden über 70 Schulen aus elf Bundesländern eingebunden und 145 Multiplikator*innen weitergebildet. Diese bilden als Tandems aus Lehrkräften und Schulsozialarbeit Teams an ihren Schulen und tragen den Ansatz als Multiplikator*innen weiter.
Systematisch. Multiprofessionell. Pädagogisch.
CleaRNetworking setzt auf ein phänomenübergreifendes Verständnis von Radikalisierung: Nicht die Zuschreibung zu bestimmten Gruppen steht im Vordergrund, sondern die Arbeit an den zugrundeliegenden Bedürfnissen junger Menschen – nach Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Zugehörigkeit. Das Projekt steht für systematische Prävention statt Einzelmaßnahmen, pädagogische Beziehung statt Sanktion und klare Haltung statt Neutralität.
Inzwischen gilt der CleaR-Ansatz als bundesweit anerkanntes Modell – auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz empfiehlt in ihrer Stellungnahme 2024 die Stärkung dieses Ansatzes.
Zehn Jahre Clearing – ein Ausblick
Nach zehn Jahren Arbeit im Feld der schulischen Radikalisierungsprävention blicken wir auf eine Entwicklung zurück, die zeigt: Nachhaltige schulische Prävention braucht Strukturen, Netzwerke und Haltung.
Mit CleaRNetworking ist aus einem Verfahren ein Ansatz geworden, der nicht nur Schulen, sondern auch Fachöffentlichkeit und Bildungspolitik inspiriert – für eine Schule, die Demokratie lebt, Vielfalt aushält und jungen Menschen Orientierung bietet.