24. September 2025
policy:brief No. 3 | Integration, Prävention, gesellschaftliche Stabilität
Gesellschaftliche Spannungsfelder im Kontext von Flucht, Migration und Islamismusprävention
Einzelfälle islamistisch motivierter Gewalt durch Personen mit Migrationsgeschichte befeuern eine emotionalisierte Debatte über einen Zusammenhang zwischen Migration und Extremismus – doch greift diese zu kurz. Radikalisierung entsteht durch komplexe soziale, psychologische und institutionelle Dynamiken und ist nicht monokausal erklärbar. Um wirksame, kontextsensiblen Präventionsstrategien zu entwickeln braucht es einen multiperspektivischen Ansatz sowie enge Zusammenarbeit und Wissenstransfer von Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden. Zentral sind: ein interdisziplinärer Austausch zur Stärkung gesellschaftlicher Resilienz, die differenzierte Einordnung extremistischer Phänomene, um vorschnelle Zuschreibungen und das Ausblenden anderer Extremismusformen zu vermeiden, sowie die kontextuelle, weder unter- noch überbewertende Betrachtung von Flucht- und Migrationsbiografien.
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Handlungsempfehlungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Radikalisierung lässt sich nicht monokausal mit Flucht oder Migration begründen – so verlockend diese Erklärung für politische Akteur*innen auch sein mag. Vielmehr bedarf es einer multiperspektivischen Betrachtung der individuellen, sozialen und institutionellen Bedingungen, unter denen Radikalisierung stattfinden kann. Es braucht differenzierte Ansätze, die Schutzfaktoren stärken, Brücken zwischen Gruppen bauen und Polarisierung aktiv entgegenwirken. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, müssen Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden gemeinsam an der Entwicklung transparenter, kontextsensibler und diskriminierungskritischer Präventionsstrategien arbeiten.
Daraus ergeben sich potenzielle Schwerpunkte, die stärker in den Fokus rücken müssen:
- Relevante wissenschaftliche Erkenntnisse aus der nationalen und internationalen Forschungslandschaft müssen in interdisziplinären Formaten gemeinsam reflektiert und eingeordnet werden – nicht zuletzt, um bestehende Brücken zwischen den relevanten Akteur*innen im Themenfeld Islamismus und Migration auszubauen oder aufzubauen. Es ist besonders relevant, hier die Expertise aus sowohl der Prävention von (islamistischem) Extremismus einzubinden als auch diejenige, die sich mit der Einordnung und den Auswirkungen von Migrationspolitik beschäftigt. Ein solcher interdisziplinärer und akteursübergreifender Schulterschluss wird entscheidend dazu beitragen, gesellschaftlichen Zusammenhalt effektiver zu fördern und Polarisierung entgegenzuwirken.
- Radikalisierung und Extremismus im Kontext von Migrations- und Fluchterfahrungen sollten als mögliche Aspekte ernst genommen werden – ohne dabei pauschale Täterzuschreibungen zu fördern oder betroffene Personen ausschließlich in einer Opferrolle zu verorten. Vielmehr gilt es, Migrations- und Fluchtbiografien als potenzielle Einflussfaktoren im Zusammenspiel mit weiteren sozialen, politischen und psychologischen Bedingungen zu betrachten und dabei weder überzubewerten noch aus rein humanistischer Perspektive auszublenden.
- Im Kontext extremistischer Phänomene sollte die Zuschreibung spezifischer Ideologien stets mit Bedacht erfolgen – insbesondere, wenn Migration und Religion miteinander verknüpft werden. Dies gilt vor allem im Bereich des auslandsbezogenen Extremismus, wo islamistische Motive häufig vorschnell unterstellt werden. Eine solche pauschale Einordnung kann nicht nur zu sachlich unzutreffenden Bewertungen führen, sondern auch das gesellschaftliche Bild über die tatsächliche Verbreitung islamistischer Ideologien verzerren. Gleichzeitig drohen andere Formen von Extremismus aus dem Blick zu geraten, wenn sie nicht klar als solche benannt und eingeordnet werden.
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Ansprechpersonen für Rückfragen
Inhaltliche Rückfragen: Miriam Katharina Heß
Presseanfragen: Charlotte Leikert
Die Autor*innen
Miriam Katharina Heß ist seit 2024 Referentin für internationale Zusammenarbeit und Terrorismusanalyse bei der BAG RelEx. Sie studierte National and International Administration and Policy an der Universität Potsdam sowie Politikwissenschaften an der Universität Hamburg. Aktuell untersucht sie im Rahmen ihrer Promotion die Sicherheitsrhetorik von Terrorismus im Kontext von Versicherheitlichung in Deutschland an der Universität Leipzig.
Jamuna Oehlmann ist Geschäftsführerin der BAG RelEx und leitet seit 2025 KN:IX connect | Verbund Islamismusprävention und Demokratieförderung. Zuvor hatte Sie die Leitung des Kompetenznetzwerks „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX, 2020-2024) inne. Sie verfügt über einen akademischen Hintergrund in Asienwissenschaften sowie Internationale Beziehungen und Diplomatie, den sie in Berlin, Bangkok und London erworben hat. In ihren Studien hat sie sich insbesondere mit Fragen der internationalen Sicherheit und des Terrorismus auseinandergesetzt.
Über policy:brief
Das policy:brief der BAG RelEx fasst Positionen und Erkenntnisse aus unserer Arbeit prägnant zusammen und nimmt dabei besonders Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen und Herausforderungen. Das policy:brief geht auf der einen Seite einen Schritt zurück und erklärt Zusammenhänge und auf der anderen Seite einen Schritt weiter, indem es zielgruppenorientierte und -gerechte Handlungsempfehlungen enthält. Unsere Arbeit und die unserer rund 40 Mitgliedsorganisationen wird so zielgruppengerecht kommuniziert und der Austausch mit externen Stakeholdern und Akteuren aus Wissenschaft, Politk, Verwaltung und Wirtschaft unterfüttert. Hier kommen Sie zur Übersicht der Ausgaben.